Switzerland national football team 2015 ©Steindy

Die Schweizer Fussball-Marke

Nach der Qualifikation für die Endrunde der Fussball-Weltmeisterschaft 1994 (der ersten seit 1966) hat sich der Schweizer Fussball verändert. Seither werden Schweizer Fussballer nach England, Deutschland und Italien exportiert. Was vor ein paar Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre: Schweizer Fussballer gehören zu den Exportschlagern. Von den mehr als 130 Fussballprofis im Ausland spielen rund fünfzig in den europäischen Topligen. Die Geschichte der Entstehung einer Qualitätsmarke, oder wie eine traditionelle Wintersportnation zu einem der wichtigsten Exportländer für Spieler wurde.

Mit nur zwei Zahlen lässt sich aufzeigen, wie aus einer unbedeutenden Fussballnation ein ernstzunehmender Akteur in der Welt des runden Leders wurde. 1: nur die historische Fussballnation Uruguay, 1930 erster Fussball-Weltmeister, exportiert im Verhältnis zur Bevölkerungszahl mehr Spieler weltweit. Und 5: Auf diesem Platz liegt die Schweiz in der Rangliste der Länder, die Spieler in die europäischen Topligen exportieren, übertroffen lediglich von Frankreich, Brasilien, Argentinien und Spanien, weit, weit vor Ländern wie Italien oder England. Die Zeit der Pioniere, die sich an einer Hand abzählen liessen und die die eigentlichen Helden der WM 1994 waren (Stéphane Chapuisat von Borussia Dortmund, Marc Hottiger von Newcastle oder auch Adrian Knup und Ciriaco Sforza), scheint weit entfernt.

Captain Stephan Lichtsteiner

Ein phänomenaler Aufstieg

Das aktuelle Hoch der Schweiz hat viele Gründe: ein leistungsfähiges Ausbildungssystem, das in den 1990er-Jahren initiiert wurde, eine Nationalliga, die jungen Spielern Priorität einräumt, eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen den Vereinen, der Liga und dem Verband, ein erfolgreicher kultureller Mix, aber auch ein Mentalitätswandel, der insbesondere in den hervorragenden Ergebnissen der Nationalmannschaft seit bald zwei Jahrzehnten und einem ausgezeichneten Platz auf der FIFA-Weltrangliste zum Ausdruck kommt.

Rang 4 im Jahr 2017, Rang 6 2018: Die Schweiz stand nie mehr so weit oben auf der Weltrangliste seit 1993 (3.) und 1994 (7.), dem Jahr, als Roy Hodgson als Nati-Coach die Schweiz an die WM führte. Die Fussball-WM in Amerika markierte nicht nur das Ende der fast dreissigjährigen Abwesenheit der Schweiz bei Weltmeisterschaften, sondern auch den Exploit einer begnadeten Spielergeneration. Einer talentierten Mannschaft, in deren Fussstapfen zu treten nicht einfach war: Auf die WM 1994 folgte eine weitere Durststrecke von zwölf Jahren, während der die Schweiz an keiner internationalen Endrunde dabei war und in der Weltrangliste absackte (auf Rang 83 nach der verpassten Qualifikation für Frankreich 1998). Der nationale Verband hatte sich jedoch nicht auf den Lorbeeren des Erfolgs von 1994 ausgeruht: Der Einbruch, so jäh er auch schien, erfolgte parallel zu einer neuen Ausbildungspolitik und Professionalisierung auf allen Ebenen, die in den 1990er-Jahren eingeleitet wurden. Es brauchte bloss etwas Geduld. Heute sprechen die Zahlen und Fakten für sich: Seit 2006 hat die Schweiz an allen WM-Turnieren teilgenommen und lediglich eine Europameisterschaft verpasst. Besser noch: Sie hat sich regelmässig für das Achtelfinale qualifiziert, und in den meisten Fällen, wo sie ausschied, fiel das Ergebnis äusserst knapp aus, etwa in einigen denkwürdigen Penaltyschiessen. Auch dieses Jahr gehört die Schweiz zu den ernst zu nehmenden Aussenseitern der WM.

The Swiss national team

Der Erfolg des neuen Ausbildungssystems zeigte sich auch auf der Nachwuchsebene: 2002 wurde die Schweizer U17-Auswahl Europameister und die U21 schaffte es ins Halbfinale. Das Jahr 2009 brachte die endgültige Bestätigung dieses Erstarkens: Die U17-Mannschaft eroberte in Nigeria den Weltmeister-Titel, und die Schweiz sicherte sich damit einen festen Platz in der Kategorie der international anerkannten Ausbildungsländer. Ein untrüglicher Beweis dafür: Der Auswahl gehörten unter anderem Haris Seferovic, Granit Xhaka und Nassim Ricardo Rodriguez an. Allesamt Top-Fussballer, die heute zu den rund 50 in der Schweiz ausgebildeten Spielern gehören, die in Europas Big 5 engagiert sind – mehr denn je zuvor.

Eine Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

Die deutsche Bundesliga 

Deutschland ist nach wie vor die bevorzugte Destination der Schweizer Fussballer, die jenseits der Landesgrenzen kicken. Der Torhüter Yann Sommer, vierfacher Schweizer Meister mit dem FC Basel, hat sich zu einem Leistungsträger bei Borussia Mönchengladbach entwickelt, einem Club, der traditionell offen ist für Schweizer Spieler und der bei Sommers Ankunft im Jahr 2014 noch vom Waadtländer Lucien Favre trainiert wurde. Josip Drmić ist ein weiterer Schweizer, der zurzeit bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag steht. Zu Sommer und Drmić haben sich inzwischen zwei sehr junge Landsleute gesellt: Nico Elvedi und Denis Zakaria, der Genfer Mittelfeldspieler kongolesischer Herkunft, der als begnadetes Fussballtalent gilt. Der Lokalrivale, der legendäre Verein Borussia Dortmund – der ab diesem Herbst trainiert wird von ... Lucien Favre –, setzt seinerseits auf Roman Bürki als Stammgoalie, Marwin Hitz als Keeper Nummer 2 (nach zehn Jahren bei Wolfsburg und Augsburg), und auf den jungen Spieler Manuel Akanji. Andere Schweizer Nati-Athleten sind Stammspieler in ihren jeweiligen Clubs: Gelson Fernandes (Eintracht Frankfurt), Steven Zuber (Hoffenheim), Admir Mehmedi und Renato Steffen in Wolfsburg und Breel Embolo bei Schalke 04. Weitere Stützen der Schweizer Nati, darunter Eren Derdiyok, Haris Seferović, Timm Klose, Florent Hadergjonaj, Valentin Stocker und Steve von Bergen, die heute in der Türkei, Portugal, England und in der Schweiz im Einsatz stehen, haben wie die früheren Stars Tranquillo Barnetta, Alexander Frei, die Brüder Degen und Ludovic Magnin ebenfalls mehrere Saisons in der Bundesliga gespielt.

Yann Sommer ©Steindy
Yann Sommer 

Die italienische Serie A

Der langjährige Wolfsburg-Profi Ricardo Rodríguez spielt heute beim AC Milan gross auf. Dieser Fussballer mit chilenischen Wurzeln ist nicht der einzige Schweizer im Land des Calcio: Der unermüdliche Rechtsaussen Stephan Lichtsteiner hat soeben mit Juventus Turin seinen siebten italienischen Meistertitel in Serie gewonnen. Der 34-Jährige, der zum 100. Mal ins Aufgebot der Nati berufen wurde, die er als Mannschaftskapitän anführt, war eine der Stützen der Bianconeri. Die Wege dieser beiden Schweizer Stars kreuzten sich häufig mit denen von Remo Freuler (Atalanta Bergamo), Silvan Widmer (Udinese), vor allem aber mit einem der ganz grossen Schweizer Fussballer der letzten 15 Jahre: Valon Behrami. Der Tessiner mit albanischen Wurzeln, der schon bei Lazio Rom, Fiorentina, Neapel (neben Gökhan Inler und Blerim Džemaili), Watford und Hamburg unter Vertrag stand, spielt seit 2017 für Udinese. Der langjährige Stammspieler der Schweizer Nationalelf (seit 2007 hat er in keinem Match gefehlt) kommt auch diesen Sommer in Russland zum Einsatz.

Stephan Liechsteiner ©Steindy
Stephan Liechsteiner 

Die englische Premier League

Granit Xhaka, der beim FC Basel gross wurde und ebenfalls bei Mönchengladbach unter Vertrag stand, setzt die Schweizer Tradition bei Arsenal fort. Beim Londoner Club standen bereits die beiden Westschweizer Johan Djourou (derzeit in Antalya, Türkei) und Philippe Senderos im Einsatz, mit dem er zusammen mit Patrick Müller den berühmten Schweizer Abwehrblock der 2000er-Jahre bildete. Nach seiner Ankunft am Themseufer 2017 eroberte sich Xhaka unter dem legendären Trainer Arsène Wenger rasch einen festen Platz im Team. Neues von Arsenal:

Beim Nachbarclub West Ham United steht seit 2016 der ehemalige FC-Sion-Spieler Edimilson Fernandes, ein Cousin von Gelson Fernandes, unter Vertrag. Der Stürmer Xherdan Shaqiri hat sich in den letzten drei Saisons als unbestrittener Stammspieler in Stoke City einen Namen gemacht. Nach Engagements bei Bayern München und Inter Mailand ist «Shaq» nun leider in die zweite Liga abgestiegen. Der Fussballer mit kosovarischen Wurzeln wird von vielen Clubs umworben und könnte schon bald bei einem neuen Verein anheuern.

Xherdan Shaqiri ©SebStanbury
Xherdan Shaqiri 

Die spanische La Liga und die französische Ligue 1

Die spanische oberste Liga ist vielleicht die einzige Liga, die sich der Schweizer Invasion noch widersetzt. Nach zwei Saisons bei Hoffenheim kickt Fabian Schär (noch ein Basler, aber ausgebildet beim FC Wil) nun beim galizischen Traditionsverein Deportivo La Coruña, der in dieser Saison den Abstieg in die zweite Liga nicht verhindern konnte. In Frankreich erinnert sich der FC Rennes noch an den bemerkenswerten Auftritt von Rekord-Torschütze Alex Frei, und Olympique Lyonnais erlebte mit Verteidiger Patrick Müller goldene Zeiten. Derzeit ist die Zahl der Schweizer Spieler jedoch gering. Der Genfer mit kamerunischen Wurzeln François Moubandje spielt seit fünf Jahren für den FC Toulouse. Der langjährige Schweizer Nationaltorhüter Diego Benaglio steht heute bei der AS Monaco unter Vertrag. Der Keeper, der an drei Weltmeisterschaften teilnahm, war zehn Jahre lang ein Leistungsträger des VfL Wolfsburg, wo er von den Fans der Wölfe sehr geschätzt wurde, mehr als von den Stürmern der Bundesliga.... Nach der WM in Brasilien 2014 gab Benaglio seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt.

Alex Frei © Reto Stauffer
Alex Frei