Exhibition view of ECAL Digital Market, Spazio Orso, Milan Design fair 2018 – Photo: ECAL/Calypso Mahieu

Der Schweizer Industriedesigner Christophe Guberan

Der in Lausanne ansässige Industriedesigner Christophe Guberan unterrichtet gegenwärtig Produktdesign an einer der renommiertesten Universitäten der Welt, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Im stimulierenden und innovativen Umfeld der Greater Boston Area kann er weitere praktische Erfahrungen sammeln, forschen und mit neuen technologischen Entwicklungen experimentieren

Christophe Guberan schloss 2012 sein Studium in Industriedesign an der Kunsthochschule Lausanne (Ecole cantonale d’art, ECAL) ab. Er hat bereits mehrere bedeutende Auszeichnungen erhalten, darunter den Hublot-Designpreis 2017. Schon früh reiste er rund um die Welt – von Japan nach Südafrika, von China nach Mexiko –, um seine Arbeiten an Ausstellungen zu zeigen. Guberan überzeugt mit seinem einzigartigen Ansatz, der Experiment, innovative Technologien und einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik vereint.

Guberan begann seine Karriere mit einer Lehre als Architekturbauzeichner, doch reichten seine Interessen immer schon über das Objekt selbst hinaus. Er begann, über Produktionsprozesse nachzudenken, mit Materialien und Strukturen zu experimentieren und bestehende Technologien zu erweitern. Auf diese Weise entstand sein erstes Projekt Hydro-Fold, mit dem er 2012 an der Mailänder Designmesse Furore machte. In der Folge wurde Erik Demaine, Professor für Computerwissenschaften am MIT, auf Guberan aufmerksam und lud ihn als Gastforscher an das MIT ein. 

 

Hydro-Fold by ECAL/Christophe Guberan. This research aims to explore the properties of paper and how its structure can change with liquid. Paper is sensitive to moisture and distorts when it gets wet. – Photo: ECAL/Nicolas Genta

Industriedesign heisst Experimentieren

2014 war ein entscheidendes Jahr in der Karriere von Christophe Guberan: Er begann seine Zusammenarbeit mit dem von Skylar Tibbits mitgegründeten und geleiteten Self-Assembly Lab des MIT. Tibbits ist ein Pionier des 4D-Drucks, der Gemeinsamkeiten mit Guberans Hydro-Fold-Projekt aufweist. Am MIT beschäftigte sich Guberan weiter mit der Interaktion von Materialien, digitaler Produktion und Self-Assembly-Prozessen. Das jüngste Resultat der Zusammenarbeit ist Rapid Liquid Printing. Diese Technologie revolutioniert die heutigen 3D-Drucktechniken, da sie einige der bisherigen Herausforderungen wie Geschwindigkeit, Grösse und Qualität löst. Dank einer Gellösung, die der Schwerkraft entgegenwirkt, können mit beständigen industriellen Materialien wie Silikon grosse Objekte in Minutenschnelle gedruckt werden.

Christophe Guberan © Pedro Neto
Christophe Guberan © Pedro Neto

Mit der Unterstützung von Präsenz Schweiz stellten Christophe Guberan und das Team des MIT Self-Assembly Lab das «Rapid Liquid Printing»-Verfahren und seine vielfältigen Möglichkeiten im Dezember 2017 an der Design Miami zum ersten Mal öffentlich vor. Die vor Ort gedruckte erste Produktserie (Strandtaschen) wurde während der ganzen Messe verkauft.

Design Miami 2018, Curio booth with Patrick Parrish Gallery © MIT Self Assembly Lab
Design Miami 2018, Curio Booth mit der Patrick Parrish Gallery © MIT Self Assembly Lab

Das Verfahren eignet sich für zahlreiche Anwendungen und unterschiedlichste – beständige, wasserfeste, leichte, formbare, schaumartige – Materialien. Guberan denkt bereits über die nächste Serie von Objekten und die Einbindung der verschiedenen materiellen Qualitäten der Technologie nach. Dabei hat er Güter des täglichen Gebrauchs vor Augen, die in unseren Häusern zum Einsatz kommen, etwa Vasen, Lampen oder Körbe. Im Sommer werden die Arbeiten zusammen mit dem Self-Assembly Lab des MIT, wo gegenwärtig Tests durchgeführt werden, in der renommierten Patrick Parrish Gallery in New York ausgestellt (die Daten werden demnächst bekanntgegeben). Guberan und sein Team werden ein Umfeld kreieren, das es den Besucherinnen und Besuchern erlaubt, die Technologie zu verstehen und gleichzeitig einen Raum von Objekten zu besichtigen, die nach dem «Rapid Liquid»-Verfahren gedruckt wurden.

Von der digitalen Ästhetik zur Produktion der Zukunft

Der Weg von der Produktionstechnik zum Objekt ist für Guberan von entscheidender Bedeutung: Strandtaschen, Vasen und Lampen müssen seine Suche nach «digitaler Ästhetik» widerspiegeln, wie er es nennt. Guberan hat das Privileg, diese neuen Technologien mitzuentwickeln und Produktionsprozesse auszuprobieren oder zu überdenken. Er nutzt deren Charakteristiken wie auch künstliche Intelligenz, um das endgültige Design weiter zu verbessern. Die Einbindung der durch die Technologie bedingten visuellen und materiellen Charakteristiken ist wichtig, um konzeptionell gute Objekte zu kreieren, die einen Mehrwert für die Technik darstellen. Natürlich will der ausgebildete Industriedesigner Guberan auch auf spezifische Konsumentenbedürfnisse eingehen und gleichzeitig zukunftsweisende Produkte entwerfen. Gutes Design ist für ihn, «wenn wir aufhören, über das Fertigungsverfahren zu sprechen, und uns dem Objekt selbst zuwenden.»

Liquid Printed Bag, Design Miami 2018, Curio booth with Patrick Parrish Gallery © MIT Self Assembly Lab
Liquid Printed Bag, Design Miami 2018, Curio Booth mit der Patrick Parrish Gallery © MIT Self Assembly Lab

Wichtig sind für ihn auch Fragen wie die Produktionsnähe und die Rolle des Designers, dies sowohl bei seiner Arbeit als selbständiger Designer als auch als Professor am MIT und an der ECAL. Wie können wir besser produzieren? Indem wir Konsumenten und Produzenten zusammenbringen? Indem wir die Endkonsumenten stärken? Das Konzept der digitalen Ästhetik ist eng verbunden mit der Idee eines digitalen Markts, der die Lücke zwischen Design, Produktion und Konsum verkleinert. Ein digitaler Markt schärft das Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher, da sie lokal einkaufen können. Er hat Auswirkungen auf die Designarbeit, da er nachfrageorientiert und auf die Kunden ausgerichtet ist. Die ECAL-Studierenden des Master-Studiengangs in Produktdesign befassten sich Anfang 2018 mit diesem Begriff und stellten ihre «Printing Farm» der Zukunft  an der Mailänder Designmesse aus. Die von Studiengangsleiter Camille Blin und Christophe Guberan konzipierte Ausstellung bestand aus einer Allee von 3D-Druckern, die die neue Produktionsvision verkörperten und den Prozess sichtbar machten. Gleichzeitig konnten die Besucherinnen und Besuchern die druckfrischen Produkte im Ausstellungsshop erwerben.

Blick auf den digitalen Markt der ECAL, Spazio Orso, Mailänder Designmesse 2018 © ECAL/Calypso Mahieu
Blick auf den digitalen Markt der ECAL, Spazio Orso, Mailänder Designmesse 2018 © ECAL/Calypso Mahieu

Noch sind die neuen Produzenten in Forschungslabors oder Designschulen aktiv, aber bald werden sie die Städte erobern, wo die Menschen leben, wie die Ausstellung in der Patrick Parrish Gallery in New York zeigen wird. Eines Tages werden wir mit diesen digitalen Künstlern interagieren, Objekte für die Zukunft entwerfen, mit Schlüsselakteuren im Bereich Design zusammenarbeiten, etwa mit Christophe Guberan. Eine utopische Vision? Vielleicht. Es gibt zweifellos noch einige Hindernisse zu bewältigen auf dem Weg zu einem demokratischen Ansatz für die digitale Produktion, aber sowohl Designer als auch Computerwissenschaftler, technische Hochschulen, Designschulen und Industrie arbeiten daran!