Iris Bohnet

Iris Bohnet – eine Schweizerin erobert Harvard

Die 52-jährige Luzerner Ökonomin Iris Bohnet ist die erste Schweizer Professorin an der Universität Harvard. Als Gender-Expertin ist sie auf der ganzen Welt gefragt. Porträt einer engagierten Kämpferin für die Gleichstellung.

Auf die Frage nach dem Traumberuf ihrer Kindheit sagt Iris Bohnet «Professorin», als ob ihr Weg schon immer vorgezeichnet gewesen wäre. Der Traum ging in Erfüllung, und zwar nicht irgendwo, sondern an der berühmten Harvard University, wo sie seit 2006 lehrt.

Ein amerikanischer Traum

Iris Bohnet wuchs im Kanton Luzern auf. An der Universität Zürich machte sie einen Master in Wirtschaft und Politikwissenschaft. «Soziale Fragen haben mich schon immer interessiert. Dank meinem Studium in Wirtschaft und Politikwissenschaft konnte ich mich mit den dafür relevanten Grundlagen vertraut machen», sagt die 52-jährige Luzernerin. 
 

Iris Bohnet

Nach dem Master machte sie ein Doktorat in Verhaltensökonomie, ebenfalls in Zürich. Danach entschied sie sich für die USA, wo sie 1997 und1998 als Postdoktorandin an der Universität Berkeley an der Westküste arbeitete. Zusammen mit ihrem Mann beschloss sie, ihre akademischen Ambitionen in den USA weiterzuverfolgen. Das Paar zog an die Ostküste, wo Iris Bohnet eine Assistenzprofessur an der Harvard Kennedy School übernahm. 2006 wurde sie als erste Schweizerin ordentliche Professorin an der prestigeträchtigen Universität Harvard in Massachusetts.

Genderspezialistin 

Als sie 2008 «Nudge» von Richard Thaler und Cass Sunstein las, fand sie unverhofft den Ansatz, der ihr zum Durchbruch verhelfen sollte. «Mir wurde bewusst, dass die in anderen Bereichen, etwa im Finanz-, Gesundheits- und Bildungswesen, entwickelten Reflexe gegen die Ungleichheit auch in der Wirtschaft angewendet werden können.»
Iris Bohnet beschloss, den Genderbias zu analysieren, um bestehende Ungleichheiten und deren Ursachen aufzuzeigen und auf Veränderungen hinzuwirken. Die im Rahmen ihrer Forschung entwickelten Theorien veröffentlichte sie 2016 unter dem Titel What Works: Gender Equality by Design. Das Buch fand weltweit grosse Beachtung und wurde von der Financial Times als eines der besten Bücher des Jahres nominiert. Der Erfolg ist der Schweizerin nicht zu Kopf gestiegen. «Als mein Buch herauskam, erhielt ich zwar sehr viele Anfragen für Vorträge und Interviews. Was mich aber am meisten freute, war die Zustimmung, die ich in der Sache für meine Forschung erhielt, obwohl ich eher Empirikerin denn Theoretikerin bin. Mein Traum ist, dass die Evidenz für sich selbst spricht», sagt die Forscherin, die vor kurzem die britische Regierung bei der Einführung von Mechanismen zur Verhinderung geschlechtsspezifischer Diskriminierung begleitete. 

Iris Bohnet signiert ihr Buch
Iris Bohnet signiert ihr Buch

Der Erfolg hält sie nicht davon ab, sich auch in anderen Bereichen zu engagieren. Zehn Jahre sass sie im Stiftungsrat des Genfer Hochschulinstituts für internationale Studien und Entwicklung, seit 2008 leitet sie das «Women and Public Policy»-Programm der Universität Harvard, und seit 2012 ist sie Mitglied des Verwaltungsrats von Credit Suisse. 

Schokolade und Schweizerdeutsch

«Im Alltag bin ich vor allem Verhaltensökonomin. Die Qualität einer Theorie ist im Endeffekt immer relevanter als die Nationalität», erklärt die Schweizerin, die ihre Wurzeln aber nicht vergessen hat. «Wir haben immer Schokolade im Haus!» Iris Bohnet hat zwei Söhne, die eine deutsch-amerikanische Schule besuchen. Sie sind ihr grösster Stolz. Beide sprechen auch Schweizerdeutsch, und zwar «ohne Akzent». 
 
«Wir kommen aus beruflichen und familiären Gründen regelmässig in die Schweiz, zum Beispiel für Verwandtenbesuche, Versammlungen der Bank in Zürich oder ein Referat. Zudem bin ich Mentorin von mehreren Start-ups und von jungen Berufsleuten, die ich oft besuche.»

Iris Bohnet ist ein grosszügiger Mensch. Sie ist dankbar für ihren Erfolg, den sie nicht als selbstverständlich ansieht. «Ich schätze mich glücklich, einen Beitrag zum Abbau der Geschlechterungleichheit in der Wirtschaft leisten zu können, aber ich habe nicht vor, mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen. Ich möchte, dass Chancengleichheit selbstverständlich wird.» Dafür setzt sie sich weiterhin ein, über ihre eigene Institution in Harvard, aber auch über Seminare, die sie gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchführt. 

Nach ihrem Erfolgsrezept gefragt, meint Iris Bohnet, jede Person, mit der sie sich austausche, sei eine Inspiration für sie. Eine bescheidene Antwort einer grossen Frau, von der man mit Sicherheit noch viel hören wird. 

Iris Bohnet
Iris Bohnet beantwortet Fragen von Studentinnen