Nico Hischier

Der amerikanische Traum von Schweizer Sportlern

«Torsegen an der heutigen NHL-Nacht», «Erfolgreicher Abend für Schweizer Spieler»: Solche Nachrichten aus Nordamerika erreichen uns immer häufiger, so dass wir anfangen, uns daran zu gewöhnen. Aber es hat Jahrzehnte gedauert, bis sich Schweizer Talente jenseits des Atlantiks durchsetzen konnten.

Dieses Jahr spielen gut 15 Schweizer in zwei der wichtigsten amerikanischen Profi-Meisterschaften. Eintauchen in eine einzigartige und vor allem gnadenlose Welt – im Fokus zwei Schweizer Sportgrössen: Nico Hischier, Eishockeyspieler, und Clint Capela, Basketballspieler.

«Inbegriff einer typisch europäischen Spielart»: Seine geringe Körpergrösse macht er durch Schnelligkeit, Spielübersicht und Technik wett. Nico Hischier gilt zu Recht als hochtalentierter Eishockeyspieler. Sein Talent zeigte sich schon früh, er machte alles schneller als die anderen. Der 1999 in Naters geborene ging in Visp zur Schule und schoss mit 16 Jahren sein erstes Tor bei den Profis in der National League A, bevor er in die Top-Juniorenliga von Québec wechselte und rasch die Konkurrenz hinter sich liess. Ein Jahr später, knapp 18-jährig, debütierte er in der begehrten NHL (National Hockey League, Meisterschaft der besten Eishockeyteams der USA und Kanadas).

Clint Capela, right, blocks a shot by Derrick Rose © Keystone

Nico Hischier ist der jüngste Schweizer Eishockeyprofi und der erste in der Schweizer Eishockeygeschichte, der am Draft (jährliche Börse für junge Spieler) an erster Stelle gezogen wurde. Mit dieser Auszeichnung schliesst er zu Sportgrössen wie Mario Lemieux, Alexander Ovechkin und Patrick Kane auf. Nicht alle Talente halten dem Druck stand, doch der Oberwalliser konnte sich rasch behaupten: Bis heute hat er 20 Tore geschossen und mit seinem Team, den New Jersey Devils, seine erste Auszeichnung geholt. Diese Leistungen sind umso beachtlicher, wenn wir die bewegte Eishockeygeschichte der Schweiz in Nordamerika betrachten.

Eine lange Durststrecke: Die ersten Pioniere hiessen Jacques Soguel (1976), Ken Baumgartner (1988) und Pauli Jaks (1995). Alle drei waren ausgezeichnete Spieler, die jedoch nur einen oder zwei NHL-Spiele bestritten. Das amerikanische Abenteuer begann erst im Jahr 2000 mit den Davosern Reto von Arx und Michel Riesen sowie den Goalies David Aebischer und Martin Gerber. Diese zaghafte Liebesgeschichte festigte sich mit der Ankunft von Mark Streit im Jahr 2005. Während seiner zwölfjährigen Karriere in Nordamerika nahm die Schweizer Sportlegende an über tausend Spielen teil. Auf ihn folgte eine neue Spielergeneration: Luca Sbisa, Yannick Weber, Nino Niederreiter, Roman Josi und natürlich Nico Hischier.

Die «Ungerechtigkeit», die die Schweizer Spieler erfuhren, die während Jahrzehnten nicht in der NHL mitspielten, gehört nun der Vergangenheit an. In der Schweiz ist Eishockey nach Fussball der zweitwichtigste nationale Teamsport. Er löst hier enorm viel Begeisterung aus, wie kaum in einem anderen europäischen Land. Ein Beispiel: Die Eissporthalle Bern, das Heimatstadion des Schlittschuhclubs Bern, führt jedes Jahr die Rangliste der Besucherzahlen an (mit durchschnittlich über 17’000 Besucherinnen und Besuchern pro Spiel). Das ist mehr als in Schweden, der Tschechischen Republik oder Finnland, alle drei Länder, die viele Spieler in der NHL haben.

Der Beginn einer Basketballgeschichte?

Die NBA, die National Basketball Association, scheint der Schweizer Invasion noch standzuhalten. Die Schweizer Meisterschaft im Basketball, die im Vergleich zum Eishockey weniger bekannt ist, stösst zurzeit in den USA noch nicht auf grosses Interesse. Vor einem Jahrzehnt hätten sich daher nur wenige vorstellen können, dass heute einige Schweizer Spieler eine so erfolgreiche Karriere durchlaufen.

Wie Mark Streit war auch Thabo Sefolosha ein Pionier in seiner Disziplin: Er spielte ab 2006 bei den Chicago Bulls und zeigte dem amerikanischen Publikum, dass die Schweizer nicht nur Ski fahren können, sondern auch Basketball spielen. Der Basketballspieler aus Vevey steht unter Vertrag bei den Utah Jazz und hofft, nächstes Jahr bereits seine 15. Saison in der besten Basketballliga der Welt zu beenden. Der Swiss Knife, der gerade pausiert, hat zum Glück rasch einen Nachfolger (zehn Jahre jünger) gefunden, der auch im Ausbildungszentrum in Chalon-sur-Saône in Frankreich trainierte: Clint Capela.

Als Capela 2014 in den USA am Draft an 25. Stelle gezogen wurde, befürchtete er, er müsse nach Europa zurückkehren, um dort erste Erfahrungen zu sammeln. Doch der Genfer konnte rasch einen Vertrag mit dem talentierten Team der Houston Rockets unterzeichnen. Der Basketballspieler mit eindrücklichen Körpermassen (2,08m und 115kg) sorgte bereits in seiner ersten Saison für Überraschungen dank enormer Fortschritte. Höhepunkt: Sein Texaner Klub mit dem legendären Duo James Harden und Chris Paul, der im letzten Jahr unerwartet auf Rang 4 kam, ist auf dem Weg, den besten Saisonstart seiner Geschichte zu realisieren. Clint Capela, der auch The Swiss Freak genannt wird, ist an diesem Erfolg nicht unbeteiligt: Er spielt durchschnittlich 24 Minuten pro Match und erzielt dabei mehr als 14 Punkte, 10 Rebounds und fast 2 Blöcke. Statistiken eines Stars, die aus dem erst 23-Jährigen einen unverzichtbaren Spieler der Rockets machen. Aber als guter Schweizer steigt ihm das nicht in den Kopf: Erst kürzlich erklärte er: «Es gibt nicht wirklich ein Geheimnis. Wer hart arbeitet, kann alles erreichen.»