Das Festival 50JPG präsentiert «Caméra (Auto) Contrôle»
Alle drei Jahre richtet das Festival 50JPG (50 Jours pour la photographie à Genève) den Fokus auf die heutige Gesellschaft. Dabei dient die Fotografie als roter Faden. Im Zentrum der Veranstaltung steht eine vom Centre de la photographie Genève organisierte Ausstellung, die jeweils einem spezifischen Thema gewidmet ist. An diesem Festival wirken mehr als dreissig Partnerorganisationen mit, die sich in Genf und Umgebung, von Pully bis Annecy im benachbarten Frankreich, mit dem Thema befassen.
Das Thema der 5. Ausgabe des Festivals 50JPG lautet «Caméra(Auto)Contrôle». Das Publikum wird mit einer äusserst aktuellen Thematik konfrontiert: den Drohnen und anderen Überwachungssystemen, die mit Foto- oder Videokameras ausgestattet sind. Als Erinnerung: Die Überwachung des öffentlichen Raums durch Überwachungskameras «feiert» gerade ihr 25-jähriges Jubiläum. Häufig finden sich auf Videokameras in Parkhäusern, an Supermarktkassen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln Smiley-Kleber, die die Passanten einladen, in die Kamera zu lächeln. Verschiedene Kunstschaffende, Hacker oder Aktivistinnen und Aktivisten weigern sich, gefilmt zu werden; es kommt vor, dass sie diese Überwachungseinrichtungen umdrehen oder abmontieren. Es kommt auch vor, dass sie diese Systeme heimlich knacken. Dies sind jedoch meist Einzelaktionen. Bisher hat sich noch keine grosse Bürgerbewegung gegen die immer stärkere Zunahme von Überwachungskameras im öffentlichen Raum gebildet.
Gleichzeitig und auch seit einem Viertel Jahrhundert werden Strassenfotografen (Street photography), ob Laien oder Professionelle, von Passanten angehalten oder sogar angegriffen, und zwar von jenen Personen, die sich ihrerseits Tag und Nacht, sieben Tage in der Woche, ohne Widerrede aufzeichnen lassen. Sie lächeln in ihr Smartphones und schicken ihre Bilder mit einem Klick rund um die Welt, um für das eigene Ego zu werben.
Wir sind uns häufig nicht bewusst, dass wir uns einer gesellschaftlichen Kontrolle unterwerfen, wenn wir zum Teil sehr persönliche Informationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Diese Daten werden gesammelt und bilden das Kapital von IT-Riesen aus dem Silicon Valley, wie Facebook und Google, um nur die zwei bekanntesten zu nennen. Aber dank Edward Snowden wissen wir nun, dass die Daten der IT-Riesen in die Hände der Nachrichtendienste auf der ganzen Welt geraten können.
Viele Schweizer Kunstschaffende haben sich mit diesem Problem befasst, häufig mit einer Priese Humor. Wie zum Beispiel das Kollektiv !bitnik !, das den Weg eines Postpakets mit Hilfe eines eingebauten Smartphones aufgezeichnet hat. Das Paket wurde in der Schweiz aufgegeben und an die Botschaft der Republik Ecuador in London geschickt, wo Julien Assange seit mehr als fünf Jahren festsitzt, nachdem er verschiedene geheime Militärdokumente der USA veröffentlicht hatte. Mit einer ähnlichen spitzbübischen Absicht hat sich Jérôme Leuba Zugang zur Beobachtungskamera beim Grab von Andy Warhol in Pittsburgh verschafft, während sich Hervé Graumann mit viel Ironie mit den Programmen zur visuellen Identifikation von Google auseinandersetzt.
In einem anderen Bereich sind Christof Nüssli und Christoph Oeschger tätig. Sie wählten als Ausgangspunkt ihr Buch «Miklós Klaus Rózsa», das von einem Zürcher Pressefotografen handelt, über den die Schweizerischen Nachrichtendienste während des Kalten Kriegs 3200 Fichen angelegt hatten. Das collectif_fact stellt seinerseits sein letztes Video vor, während Manuel Schmalstieg eine Suchanzeige aufgibt, um Personen zu finden, die in Genf vom bekannten Google Street View Car fotografiert wurden.
«Caméra(Auto)Contrôle» untersucht als erste Ausstellung die Zusammenhänge zwischen den uns kontrollierenden Überwachungskameras und der Kontrolle, die wir mit unseren Kameras über uns selber ausüben. Die Ausstellung umfasst mehr als sechzig zeitgenössische Kunstschaffende und ist bis am 31. Juli 2016 zu sehen.
Weitere Informationen: www.50jpg.ch