Die Schweiz gibt den Ton an
Die Brassband stammt ursprünglich aus Grossbritannien. In der Schweiz trat dank dem Appenzeller Ernst Graf die erste Brassband 1957 auf. Heute gewinnen Schweizer Brassbands an den grössten internationalen Wettbewerben Preise.
Geschichtlicher Rückblick
Eine Brassband oder Blasmusik ist eine Formation, die aus Blechblasinstrumenten und Schlagzeugen besteht. International gibt es zwei Arten von Brassbands: die jazzige New-Orleans-Variante, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstand, und die britische, ein Orchesterensemble, das 1809 zum ersten Mal auftrat. In der Schweiz haben sich die Brassbands im Wesentlichen für den britischen Stil entschieden.
Ende des 19. Jahrhunderts löste die industrielle Revolution auch musikalische Veränderungen aus. Brassbands entstanden zuerst in Bergbauunternehmen und wurden im Laufe der Jahre professionalisiert. Darauf wurden in ganz Grossbritannien Wettbewerbe gegründet.
Der Aufschwung der Brassbands in der übrigen Welt fand erst spät statt. Der britische Film «Mit Pauken und Trompeten» (Brassed Off, 1996) machte die Brassband sehr populär, insbesondere in Europa. In der Schweiz gründete Ernst Graf, ein Appenzeller Musiker, nach einem Aufenthalt in Nordirland in den Fünfzigerjahren in Speicher die erste Schweizer Brassband.
Anerkannte Schweizer Bands
Heute haben Brassbands in der Schweiz und international einen festen Platz. In der Schweiz und im Ausland werden zahlreiche Wettbewerbe durchgeführt. Die Valaisia Brass Band ist eine der Schweizer Gruppen, die wiederholt erfolgreich waren. Nach viermaligem Gewinn der Schweizer Meisterschaft und einem dritten Platz an den Europameisterschaften 2016 gewann das Walliser Ensemble 2017 das British Open, einen der ältesten und renommiertesten Wettbewerbe der Welt in diesem Bereich. Eine bedeutende Auszeichnung, da die Trophäe bis dahin immer von einem Ensemble aus Grossbritannien oder dem Commonwealth gewonnen worden war. «Dieser Sieg war für uns ein einzigartiger Moment», erinnert sich Arsène Duc, der musikalische Leiter der Valaisia Brass Band. Er dirigiert etwa dreissig Musikerinnen und Musiker, die seine Handbewegungen notengenau umsetzen.
Entgegen allen Prognosen
«Wir wurden an diesen Wettbewerb eingeladen, der normalerweise den besten britischen Bands vorbehalten ist. Siebzehn Ensembles nehmen jeweils teil, die Crème de la Crème der Brassbands. Die Ehre, uns zu präsentieren, wurde uns dank unseres dritten Platzes an der Europameisterschaft, hinter zwei Gruppen, die schon für den Wettbewerb selektioniert waren, zuteil», erzählt Arsène Duc. «Ich erinnere mich, dass man vor dem grossen Tag Artikel über uns in der Fachpresse lesen konnte. Sie waren der Auffassung, dass wir genau beobachtet werden sollten. Die Buchmacher sahen uns sogar schon auf dem zweiten Platz.» Aber die Schweizer Band übertraf alle Erwartungen. Nach der Auslosung trat die Valaisia Brass Band als zwölfte Gruppe auf. Sie spielte das vorgeschriebene siebzehnminütige Stück vor einer Jury, die die Wettbewerbsteilnehmer anhört, ohne zu sehen oder zu wissen, um welche Band es sich handelt. «Wir begannen mit einem Gefühl des Glücks, ohne einen anderen Anspruch, als die Chance zu ergreifen, uns an diesem Wettbewerb zu präsentieren.» Mit ihrer Interpretation trugen sie einen historischen Sieg davon. Ja, es kam sogar zu einer Änderung des Reglements dieses 166-jährigen Wettbewerbs: Es war nicht vorgesehen, dass eine ausländische Band gewinnt. «Dieser Titel ist unglaublich, aber wir arbeiten weiter. Wir werden jetzt auf internationaler Ebene als Gewinner des British Open vorgestellt und erhalten immer wieder Konzertanfragen.»
Familien- oder Militärtradition
Neben seiner Funktion als Dirigent der Valaisia Brass Band, einer der vier besten Walliser Gruppen, ist Arsène Duc vor allem deren Gründer. «In meiner Region, der Noble Contrée, gab es sehr gute Musiker, aber keine lokale Formation. 2008 beschloss ich, eine eigene Blasmusik zu bilden», erklärt er. Die Musikerinnen und Musiker werden nach einem Probespiel hinter dem Vorhang ausgewählt. Wer in einer Brassband oder einer Blasmusik spielt, kann oft auf eine Militär- oder Familientradition zurückschauen. Das gilt auch für Mathilde Roh, Gewinnerin des Prix Musique 2017 des Schweizer Blasmusikverbands. «Mein Grossvater, mein Vater und mein Onkel spielten schon in der Blasmusik, als ich begann, es ist für mich quasi folgerichtig», verrät die zwanzigjährige Westschweizerin. «Dieser Familienhintergrund ist noch motivierender. Meine jüngeren Geschwister sind ebenfalls Musiker. Ich habe den Eindruck, dass ich ihnen ein Vorbild sein muss, um sie zu motivieren, hart zu arbeiten und ihr Bestes zu geben.» Auch Arsène Duc wuchs in einem musikalischen Umfeld auf, aber erst in der Armee machte er seine ersten praktischen Erfahrungen mit der Musik und der Leitung einer Blasmusik.
Mathilde Roh spielt Kornett, das Instrument, mit dem sie in die Musik einstieg und sich weiterentwickelte. Arsène Duc spielte wie alle in seiner Familie Euphonium. Die beiden Musikfans begannen nicht in derselben Formation, aber sie kommen beide aus dem Wallis, einem der drei Kantone, neben Luzern und Bern, die als Schweizer Hochburgen der Brassband gelten. Die junge Frau spielt für die Brassband 13 Etoiles, ein anderes renommiertes Schweizer Ensemble. «Es ist schwierig, einen Platz in einer guten Brassband zu finden. Ich erhielt die Chance, als ich zwölf Jahre alt war. Es war mein Musiklehrer, der mir vorschlug, die Aufnahmeprüfung zu machen.» Mathilde Roh ist eine talentierte Musikerin, die sich zuerst auf kantonaler Ebene auszeichnete: Sie ist die erste Frau, die den Walliser Wettbewerb gewann. «Ich empfinde grossen Stolz und viel Freude, aber es erfordert auch viel Einsatz, um top zu sein.» 2017 gewann sie den Prix Musique, quasi den Schweizer Meister der Brassbands. Dank dieser Auszeichnung durfte sie an einem Konzert im Wallis Ende April 2018 ein Solo für die Black Dyke Band spielen, eine international renommierte britische Band. «Dass ich mit ihnen spielen durfte, ist meine schönste Erinnerung», erklärt die Walliserin. «Die Titel sind eine schöne Anerkennung und eröffnen mir die Möglichkeit, in der Musikwelt bekannt zu werden und Konzerte als Solistin zu geben. Die Musik ist meine Passion, aber ich möchte sie nicht zu meinem Beruf machen», schliesst Mathilde Roh