INK EVOLUTION: Die jungen Tätowierer, die der Schweiz unter die Haut gehen

Gesellschaft

Nach unserem Artikel über Pioniere, die die Welt des Tätowierens vor der Ära des Internets beeinflusst haben, hier nun ein Porträt der neuen Generation, dank der Schweizer Tätowierer immer noch Spitze sind.

Beim letzten Welttreffen der Tattookünstler in Paris 2015 sagte Jurymitglied Filip Leu, der als einer der besten Tätowierer der Welt gilt: «Es gibt wirklich sehr schöne Sachen. Es freut mich, dass das Niveau in meinem Beruf so gestiegen ist, mit dieser Designqualität und dieser minutiösen Sorgfalt.»

In den letzten Jahren hat die Zahl der Tattoo-Studios in der Schweiz stark zugenommen (1980 waren es etwa 15, 2015 sind es über 1000). Ein Grund sind vielleicht die zahlreichen Kunstschulen, sicher aber auch die Tatsache, dass die Schweiz Legenden der Tätowierkunst wie Filip Leu hervorgebracht hat.

Getragen von einer jungen Generation von Tätowierern, die oft aus Kunstschulen hervorgegangen sind, wurden neue Strömungen populär (Graphic, Watercolour usw.). Der Beruf hat sich im Gefolge der Demokratisierung der Tätowierung weiterentwickelt und angepasst. Diese Demokratisierung hat unter anderem zur Entstehung von sozialen Netzwerken, Medien und Reality-Shows über das Tätowieren sowie zum Aufstieg von Meinungsführern geführt.

Die zahlreichen Tattoo Conventions in der Schweiz (Montreux, Genf, Zürich, Lugano) zeigen, wie erfolgreich diese populäre und einzigartige Kunst ist und über welches Talent Schweizer Tätowierer verfügen.

Kim-Anh Nguyen, Seven Seas Tattoo, Eindhoven, Niederlande

Nach der Handelsschule in Genf wechselt Kim-Anh den Beruf und reist in Europa herum, um sich von Künstlern tätowieren zu lassen, die sie bewundert und von denen sie sich inspirieren lässt. Nach einem kurzen Intermezzo in Genf geht sie nach London, wo sie sich voll in den Beruf stürzt. Dort entwickelt sie ihren eigenen Stil und praktiziert heute im Wesentlichen Neotrad. Sie arbeitet mit ihrem Partner, dem Tätowierer Jeroen Francken, in Eindhoven.

Marc Mussler, Sacred Yantra, Lausanne, Schweiz

Marc Mussler stammt ursprünglich aus Lausanne und hat ein Grafikdiplom der ECAL. Im Jahr 2008 gründet er gemeinsam mit anderen das Grafikkollektiv «16 Pounds» und das Magazin «Diary16». In dieser Zeit arbeitet er ausschliesslich als Illustrator und konzentriert sich auf Zeichnungen. Fasziniert von Tätowierern wie Xed, Tomas Tomas, Rinzing, Jondix und Thomas Hooper beginnt er sich immer mehr mit diesem Metier zu beschäftigen. 2010 tritt er bei einem seiner Vorbilder in die Lehre ein: Rinzing. Er vertritt keine bestimmte Strömung oder einen bestimmten Stil, sondern arbeitet meist mit Dotwork und Geometric Work, wo er Aussergewöhnliches vollbringt.

Flame, Sacred Yantra, Lausanne, Schweiz

Flame erwarb zuerst Abschlüsse an den Kunstschulen in Vevey und in La Chaux-de-Fonds, dann arbeitete er während mehrerer Jahre als Grafiker in Agenturen. Sein zunehmendes Interesse an Illustration, Zeichnen und der subversiven Kultur führte ihn wie selbverständlich zum Tätowieren. Er beschloss, sich ganz diesem Beruf zu widmen, und wurde 2010 ebenfalls Schüler von Rinzing. Der Style von Flame ist schwierig, ja unmöglich zu definieren, so vielfältig ist er. Der talentierte Künstler beherrscht Blackwork, Dotwork, Geometric Work und Japanese, zeigt aber immer Respekt vor der Tradition.

Johann Morel, Steel Workshop, Murten, Schweiz

2010 absolviert Johann Morel seine Lehre bei Sandy von Phoenix Tattoo in Neuenburg. Er ist fasziniert von amerikanischem Oldschool, Skaten und Hardcoremusik und inspiriert sich an der Natur und am Jugendstil. Der Shootingstar ist 2013 zum Steelworkshop in Murten gekommen.

Patch und Violaine, Happypets, Lausanne, Schweiz

Die Grafiker und Illustratoren Patch und Violaine, die auch an der ECAL dozieren, sind die Gründer des Grafikstudios Happypets. Inspiriert von anderen Tattoo-Künstlern und begeistert vom Handzeichnen, Grafik und Illustration beginnt das junge Lausanner Paar 2009 zu tätowieren. Ihre Besonderheit? Sie arbeiten vierhändig: Violaine macht die Linien, während Patch sie ausfüllt und schattiert. Sie haben sich auf Blackwork spezialisiert, mit figurativen Designs zu naturgeschichtlichen und mystischen Themen sowie Schädeln und Tieren.

Tattoo by Jo, Le parloir, Lausanne, Schweiz

Der ausgebildete Grafiker Tattoo by Jo wurde von Yann Black in Montreal ausgebildet, wo er Freehand lernte. Bei dieser Technik zeichnet man direkt auf die Haut, bevor man die Motive maschinell mit Tinte nachzieht. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz führte Tattoo by Jo seine Ausbildung weiter und arbeitete während drei Jahren bei Happypets, bevor er sein eigenes Studio eröffnete: Le parloir. Seine Haupteinflüsse sind Oldschool und Blackwoork, er verwendet aber verschiedene Techniken, darunter Dotwork und Etching.

Jean-Luc Python, Python Tattoo, Romont, Schweiz

Die Begeisterung fürs Zeichnen hat Jean-Luc Python zur Tätowierung geführt. Seit 2008 ist er Tätowierer. Er ist stark von Filip Leu beeinflusst, der ihm den ganzen Rücken tätowiert hat. Er hat sich vor allem im neojapanischen Stil weitergebildet und hat eine Vorliebe für grosse orientalische Motive und Dekorationen.

David Mottier, Noir Tattoo, Freiburg, Schweiz

David Mottier ist einer der Shootingstars der neuen Generation. Der ausgebildete Grafiker machte mit 30 sein erstes Tattoo. Aufmerksamkeit erregte er wegen seiner Flashs (Designs), die er live und in den sozialen Medien entwirft. Er macht eine Lehre bei seinem Mentor Fredz. Er wurde durch die traditionellen amerikanischen Tattoos (Oldschool) und durch dekorative Motive und Objekte beeinflusst, bezieht seine unermüdliche Inspiration aber vor allem aus der Schweizer Folklore und aus der Natur.