Madelyne Meyer, Marie Schneegans, Tabea Steiner

Ob App, Wein oder Literatur – die neue Generation Schweizer Macherinnen

Sie sind jung, weiblich und sind den Weg in die Selbstständigkeit gegangen. Ihre Visionen haben in der Initiierung von neuen Projekten oder der Gründung eigener Firmen gemündet. Immer mehr junge Frauen in der Schweiz überwinden klassische Rollenbilder oder Grenzen vorhandener Strukturen und setzen ihre Ideen in Taten um. Eine Begegnung mit drei jungen Schweizer Macherinnen.

Madelyne Meyer – frischt die Welt des Weins auf

Die Weinkunde auf eine einfache und auch lustige Art einem breiten Publikum näherbringen – das war das Ziel von Madelyne Meyer. Unter dem Namen «Edvin», welcher für «educating» und «wine» steht, betreibt Madelyne Meyer einen Blog rund ums Thema Wein und konnte letztes Jahr ihren innovativen Ansatz in Form eines Buches einem noch grösseren Publikum präsentieren. Seither steht «Endlich Wein verstehen» auf den Bestsellerlisten ganz vorne. Edvin soll ein Synonym für zugängliches Weinwissen für alle werden – Frauen, Männer und insbesondere für die Jungen!

 

 

Rachele De Caro, "Junge Macherinnen. Interviews mit 12 Schweizerinnen, die neue Wege gehen", Einsiedeln, Édition De Caro, 2019

Du gehst mit deinem Blog neue Wege und wirbelst damit ziemlich Staub auf in einer etablierten Branche. Glaubst du, dass du den Weinakademikern und Sommeliers gewachsen bist? 

Ich messe mich nicht mit ihnen, sondern gehe meinen eigenen Weg. Dank meinen Wein-Ausbildungen in Kalifornien, Bordeaux und Schweiz habe ich mir doch ein Expertenwissen angeeignet. Aber, je mehr ich weiss, desto mehr merke ich, wie viel ich noch nicht weiss. Mit dieser Voraussetzung «man hat nie ausgelernt» spreche ich die genau richtige Sprache für die Leser. Auf Augenhöhe und mit einem Augenzwinkern. Das möchte ich trotz Weiterbildung beibehalten. Dazu gibt es ein gutes Beispiel: Wenn ein Sommelier über Tannine spricht, ist das sehr umfassend und theoretisch. Denn er kennt die chemischen Verbindungen, weiss, dass Tannine auf der Traubenhaut und im Traubenkern zu finden sind und dass sie durch das Weinfass ausgelöst werden. Wenn ich meinen Lesern die Tannine erklären möchte, sage ich, dass es Stoffe im Wein sind, die den Mund trocken machen und dem Wein einen Körper geben. Die Theoretiker gehen viel zu weit, ich jedoch bleibe beim Kunden und erkläre es in seiner Sprache.

Das Thema Frauen und Wein beschäftigt dich auch auf deinem Blog. Was möchtest du damit erreichen?

Sowohl in Amerika als auch in Frankreich habe ich beeindruckende Frauen kennengelernt,
die im Weingeschäft tätig sind. Diese Begegnungen waren sehr inspirierend für mich. Auf meinem Blog möchte ich den Frauen und ihren Weinen einen Platz geben und ihre Geschichten erzählen. In Bordeaux gibt es gerade viele Winzerinnen, die, bedingt durch einen Generationenwechsel, an die Front kommen und extrem kompetent sind. Solche Frauen möchte ich vorstellen und zeigen, dass auch Frauen guten Wein machen können. Zudem möchte ich die Stereotypisierung des Weins hinterfragen. Denn ich habe meine Mühe damit, dass ein feiner, eleganter Wein nur weiblich und ein komplexer, charaktervoller Wein nur männlich sein soll. So habe ich zum Beispiel in Pomerol, einem für seine expressiven Weine bekannten Anbaugebiet, eine Frau kennengelernt, klein und fein, die eben diesen starken Wein macht. Es geht also auch anders.

Eigentlich wissen die Männer doch gleich viel oder eben wenig über den Wein wie die Frauen. Nur trauen sich Letztere viel weniger, irgendetwas zu sagen.

Madelyne alias Edvin Uncorked writes a unique blog about the world of wine that aims to make the time-honoured subject of wine accessible to a young readership. © Paolo De Caro ("Junge Macherinnen", Édition De Caro)
Madelyne alias Edvin uncorked schreibt einen einzigartigen Blog über die Welt des Weins. Ihr Ziel ist es, das altehrwürdige Thema Wein einer jungen Leserschaft zugänglich zu machen. 
© Paolo De Caro / Junge Macherinnen, Édition De Caro

Marie Schneegans – sorgt für Vernetzung im Arbeitsalltag

Am Anfang stand ihr Wunsch nach Abwechslung. Zu Beginn ihres Einstiegs in die Berufswelt war Marie Schneegans aufgeregt, neugierig und engagiert. Doch die Anfangseuphorie war bald verpufft und jeden Tag mit denselben Kolleginnen und Kollegen war ihr zu statisch. Bis ihr die Idee für eine neue App zur besseren Vernetzung unter Arbeitskollegen kam!

© Paolo De Caro / Junge Macherinnen, Édition De Caro
Marie ist ein aufgehender Stern am Tech-Himmel. Mit ihrer App «Nevereatalone», die dazu dient, Mitarbeiter besser zu vernetzen, ist die Lausannerin weltweit auf Erfolgskurs.
© Paolo De Caro / Junge Macherinnen, Édition De Caro

Lass uns auf deine Apps «Nevereatalone» sowie «Workwell» eingehen. Du möchtest den Arbeitnehmern helfen, sich über die Mittagspause zum Essen zu treffen. Was ist die Mission, die dahintersteckt?

Die Mission von «Nevereatalone» ist es, die Mitarbeiter bei der Arbeit besser zu vernetzen und somit glücklicher zu machen. Wenn jemand zum Beispiel Tennis spielt, kann er mit unserer App jemand anderen finden, der dieses Hobby teilt. Der Match erfolgt über die gleichen Bedürfnisse, unabhängig von Hierarchien. Nachdem wir diese App in über 100 Unternehmen implementiert hatten, haben wir immer wieder dieselben Feedbacks bekommen: Die Mitarbeiter wollen unkompliziert Essen bestellen, jemanden zum Joggen oder Car-Sharing finden, manchmal auch einen Meetingraum buchen – alles Dienstleistungen rund um den Arbeitsalltag. Deshalb haben wir mit dem sozialen Aspekt von «Nevereatalone» und vielen weiteren Dienstleistungen für die reibungslose Arbeit in einem Bürokomplex eine offene Plattform entwickelt: das ist «Workwell».

Wieso bist du eine Macherin? Was definiert für dich eine Macherin?

Ich bin eine Macherin, weil ich etwas aus dem Nichts erschaffen habe – von der Idee im Kopf bis zum fertigen Produkt. Ich musste zu Beginn alles selber machen: die richtigen Leute finden, die richtigen Kunden, das Team zusammenstellen. Es gibt jeden Tag Herausforderungen und ich muss die Sache zum Laufen bringen. Das braucht viel Energie. Aber dann zu sehen, wie es beginnt zu wachsen, ist eine grosse Genugtuung. Mein Traum wird Realität. Ich glaube, jeder kann das, jeder kann ein Macher oder eine Macherin sein. Das Machen kennt keine Altersgrenzen, man kann jung damit anfangen oder spät.

Wenn ein Weg nicht funktionierte, versuchte ich einen anderen zu finden. Es war harte Arbeit. Ein Nein war bei mir nie ein Nein.

Tabea Steiner – viele Hüte, eine Leidenschaft 

Lesen und Schreiben! Ihre zwei grossen Leidenschaften hat Tabea Steiner zu ihrem Beruf gemacht und nimmt in der Schweizer Literaturszene unterschiedliche Funktionen wahr. Nicht nur als Literaturveranstalterin hat sie sich einen Namen verschafft, sondern auch als Gründerin des Thuner Literaturfestivals oder als Organisatorin eines Lesefestes. Mit ihrem Debütroman Balg hat sie erst kürzlich für grosses Aufsehen gesorgt. Ihr Blick auf die Schweizer Literaturszene deutet einen Generationenwechsel an.

© Paolo De Caro / Junge Macherinnen, Édition De Caro
Tabea liest und schreibt. Die gebürtige Thurgauerin ist Gründerin des Thuner Literaturfestivals und Mitinitiantin des Lesefests Aprillen. Sie moderiert, juriert und hat gerade ihren ersten Roman veröffentlicht.
© Paolo De Caro / Junge Macherinnen, Édition De Caro

Du kennst dich in der Literaturbranche sehr gut aus. Wie würdest du die junge
Generation Autoren beschreiben?

Was mir im Moment stark auffällt, ist, dass die Frauen mehr beachtet werden und dass es eine grosse Solidaritätsbewegung unter den Frauen gibt. Das war lange nicht der Fall. Früher gab es zwei, drei Grossschriftsteller und die anderen waren Trittbrettfahrer, darunter meist auch die Frauen. Das hat mir Isolde Schaad so erzählt. Sie ist eine namhafte Schriftstellerin und Journalistin aus Zürich. In dieser Hinsicht hat sich vieles verändert, das Bieler Literaturinstitut hat seinen Teil dazu beigetragen. Von dort kommen Absolventen, junge Leute, die sagen «Ich bin Autor/Autorin», auch wenn sie noch kein Buch geschrieben haben. Das ist ein anderes Selbstverständnis. Dieses Selbstverständnis ist auch und besonders bei den Frauen entfacht. Es ist eine wohlwollende, solidarische, fast freundschaftliche und unaufgeregte Bewegung von Frauen, die einfach sagen: «Wir sind jetzt auch da.» Vielleicht fällt mir das jetzt auf, weil ich mich erst kürzlich mit Statistiken von Literaturpreisen beschäftigt habe. Es ist unglaublich, wie viel mehr Männer Preise von Literaturstiftungen bekommen. Die Webseite Frauenzählen.de zeigt auf, dass es erstens viel mehr männliche Kritiker gibt und zweitens die Autoren der Bücher, die in Zeitungen besprochen werden, auch mehrheitlich Männer sind. Nur ein Drittel der Bücher stammt von Frauen. Es gibt also noch einiges zu tun.

Was hast du in all dieser Zeit des Machens gelernt?

Als ich angefangen habe, hatte ich das Gefühl, dass es diesen Kulturkuchen gibt, wo man nur sehr schwer hineinkommt. Das stimmt überhaupt nicht. Es braucht einfach etwas Zeit. Wenn man ernsthafte Sachen macht, dann wird man auch ernst genommen. Zudem finde ich, dass es sich bewährt, freundlich zu sein. Das klingt banal, aber man darf freundlich sein. Ich würde mich selber nicht als jemand beschreiben, der sehr laut ist, das Ellbögeln liegt mir nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, in eine Männerdomäne einzudringen, denn die ganze Welt ist doch nach wie vor eine Männerdomäne, und mich wehren zu müssen. Das ist aber eigentlich gar nicht nötig. Zudem habe ich gelernt, weiterzumachen. Eine Absage hat bei mir nie bewirkt, dass ich dachte, meine Arbeit sei schlecht, sondern hat mich vielmehr angespornt, besser zu werden. Es lohnt sich, aber es braucht eben Zeit. Und mit dieser Zeit baut man sich ein Netzwerk auf. Ich dachte, es sei schwierig in die Szene reinzukommen und auf einmal bin ich mittendrin.

Eine Macherin probiert etwas aus, ohne zu wissen, wie es rauskommt.

Alle Auszüge stammen aus dem 2019 im Édition De Caro erschienenen Buch Junge Macherinnen. Interviews mit 12 Schweizerinnen, die neue Wege gehen von Rachele De Caro: https://edition-decaro.ch/jungemacherinnen/