Swiss (new) style
Der jährliche Wettbewerb Die schönsten Schweizer Bücher ist eine begehrte Auszeichnung und eine weltweite Referenz im kulturellen Bereich. Er knüpft an das goldene Zeitalter der Schweizer Grafik an, das nach dem Zweiten Weltkrieg begann. Eine Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert.
Der Swiss Style? Er ist untrennbar mit der neueren Geschichte der Schweiz verbunden … und mit den Werten, mit denen die Schweiz in Verbindung gebracht wird. Seine Merkmale: grafische Klarheit und Präzision, visuelle Sachlichkeit und Effizienz und nicht zuletzt eine Prise Radikalität und Experimentierfreudigkeit. Seit über einem halben Jahrhundert sind praktisch alle unsere Lebensbereiche – von den SBB über die Landesausstellung bis hin zu grossen Konzernen – eng mit einer sehr starken grafischen Identität verbunden, die weltweit Massstäbe gesetzt hat. So sehr, dass Swiss Style und International Style mitunter gleichgesetzt werden. Hier einige Beispiele von etablierten oder aufstrebenden Design-Persönlichkeiten, die in der Tradition von Pionieren wie Max Miedinger (dem Schöpfer der Schriftart Helvetica), Emil Ruder, Adrian Frutiger oder Jan Tschichold, Initiator des Wettbewerbs «Die schönsten Schweizer Bücher», stehen.
Die lebenden Legenden
Armin Hofmann
Es gibt ein vor und ein nach Hofmann: Oft kopiert, aber nie erreicht – Armin Hofmanns Handschrift ist unverwechselbar und besticht durch einen radikalen Ansatz. In seinen streng geometrischen, meist in Schwarzweiss gehaltenen Kompositionen, setzt er sehr häufig die Technik der Fotomontage und eine präzise Typografie als Designelemente ein. Neben Josef Müller-Brockmann und Emil Ruder steht dieser legendäre, 1920 in Winterthur geborene Schöpfer des berühmten Logos der Expo 64 und langjährige Dozent exemplarisch für das, was weltweit als Swiss-Style gilt.
Wolfgang Weingart
Das Enfant terrible der Schweizer Typografie! Im Basler Atelier dieses 1941 am Bodensee geborenen Grafikers und Typografen scheinen die Schriftarten frei umher zu spazieren, ein Spielball der Zeit und ihrer Launen. Von Beginn seines Schaffens an setzte sich Weingart über die Regeln des Schriftsetzens und die Dogmen der Typografie hinweg. Einen nachhaltigen Eindruck bei Studierenden aus aller Welt hinterliess Weingart durch seine jahrzehntelange (unkonventionelle) Lehrtätigkeit an der Basel School of Design, die ihm zahlreiche internationale Auszeichnungen einbrachte.
François Rappo
Dieser überaus produktive Schriftgestalter fiel sozusagen als Kind in den Zaubertrank: Mit neun Jahren entdeckte er die visuelle Kraft der Expo 64 (deren Logo von Armin Hofmann gestaltet wurde), die vor seiner Haustüre stattfand. Durch seine Lehrtätigkeit an der ECAL ab Mitte der 1990er-Jahre liess dieser begnadete Vermittler zwischen den Generationen gemeinsam mit dem damaligen Direktor, Pierre Keller, Lausanne zu einem Begriff in der Grafikwelt werden.
Die heutigen Exponenten
Gavillet & Cie
Das aus Gilles Gavillet und dem verstorbenen David Rust bestehende international renommierte Designbüro hat trotz prestigeträchtigen Kooperationen mit Partnern wie der Biennale von Venedig, dem Guggenheim Museum in New York nd der Firma Roc Nation von Jay Z eine überschaubare Grösse bewahrt. Zu den schweizweit bedeutenden Beiträgen dieses Genfer Designstudios gehören zum Beispiel die Gestaltung der Web-Schriftart Optimo, der visuelle Auftritt des Kunstbuchverlags JRP|Ringier und die Gestaltung des jährlich erscheinenden Katalogs der Art Basel.
Ludovic Balland
Wer durch die Gassen von Basel bummelt, nimmt die (visuellen) Spuren dieses 1973 geborenen Grafikdesigners wahr, der sich einen Namen geschaffen hat durch seine Arbeit mit den Architekten Herzog & de Meuron oder durch das Erscheinungsbild des Stadttheaters von Basel. Eindrücke seiner brillanten Arbeit finden sich aber auch in Genf und seinem Festival Antigel oder in Warschau, wo Balland für das neue Gesamterscheinungsbild des Museums für Moderne Kunst verantwortlich zeichnete. Zu seinen jüngsten Projekten gehört das Werk zum 30. Jubiläum des Centre Culturel Suisse in Paris, das beispielhaft in seiner Art ist. Der einstige Schüler von Weingart steht heute auf gleicher Ebene mit seinen Lehrern.
NORM
Ist Grafik ein Fall für zwei? Das Tandem Dimitri Bruni und Manuel Krebs würde dies bejahen: Die beiden Zürcher Gestalter mit Bieler Wurzeln haben sich 1999 zusammengetan und sind äusserst vielseitig tätig. So setzten sie sich im Rahmen der – leider abgebrochenen – Gestaltung der neuen Banknotenserie der Schweizerischen Nationalbank mit modernsten Drucktechnologien auseinander. Neben Kooperationen mit dem Flughafen Köln oder dem Architekturbüro SANAA (Designer des Rolex Learning Center) gestaltete NORM kürzlich das Referenzwerk «100 Years of Swiss Graphic Design».
Aufgehende Sterne
Marie Lusa
Kurz und prägnant ist ihr Name, in allen Sprachen leicht auszusprechen. Das trifft sich gut, heisst es doch, das Allroundtalent Marie Lusa sei in der deutschen und französischen Schweiz in zahlreichen Bereichen von der Grafik bis hin zur Fotografie (hyper-)aktiv. Egal, ob sie für das Migros-Museum für Gegenwartskunst (eine der wichtigsten Kunsteinrichtungen der Schweiz), die Fondation Vincent van Gogh in Arles oder die Kunstmesse Paris Internationale arbeitet, der dynamische Ansatz dieser gebürtigen Jurassierin verspricht in jedem Fall glänzende Ergebnisse.
Maximage
Zu zweit ist es gut, zu mehreren noch besser: Dies scheint das Motto von Maximage zu sein, dem wechselnd strukturierten Gebilde, das bekannt ist für seine Vorstösse in drucktechnisches Neuland. Die beiden führenden Köpfe David Keshavjee und Julien Tavelli arbeiten mit zahlreichen schweizerischen Institutionen zusammen – vom Verlag Edition Patrick Frey bis hin zum Bundesamt für Kultur. Trotz des Zusatzes «Société suisse» in ihrem Firmennamen sind die beiden Jungdreissiger aber über die Grenzen der Schweiz hinaus tätig, und ihr eigenständiges Schaffen wird weit herum wahrgenommen.
Atlas Studio
Bei Atlas Studio dürfen Sie sich auf spannende Kombinationen von Buchstaben und Wörtern gefasst machen! Das 2012 von Martin Andereggen, Claudio Gasser und Jonas Wandeler gegründete Designbüro hat sich mit seinen grafischen Arbeiten rasch einen Namen gemacht. Diese überzeugen durch ihr Spiel mit den grundlegenden Elementen der Grafik: Schriften, Linien und Flächen, die hauptsächlich auf Plakaten, ihrer Spezialität, mutig und von Weitem sichtbar angeordnet sind, so zum Beispiel bei ihren Arbeiten für die Swiss Design Awards oder den legendären Konzertsaal von Bad Bonn. Eine überzeugende Hommage an die Tradition!