Schweizer Dorf über der Weide

Die «Swiss Village Foundation» ist eine Schweizer Enklave mit Schafen, Kühen und Hühnern im Herzen von Rhode Island

Heute wollen wir die Swiss Village Foundation (SVF) besuchen, ein Anwesen aus rustikalen Steinhäusern und Weiden für seltene Arten von Kühen, Ziegen, Schafen und Hühnern: Schafe mit vier Hörnern, Ziegen, die sehr schreckhaft sind und reihenweise in Ohnmacht fallen, wenn sich ihnen Besucher nähern, Hühner mit goldener Mähne. Launen der Natur? Keineswegs! Es sind alles Arten, die durch Kreuzungen über mehrere Jahrhunderte entstanden sind. Es waren Versuche von Züchtern, durch kontrollierte Paarungen stärkere und resistentere Nutztiere heranzuzüchten. Viele dieser Arten sind heute vom Aussterben bedroht, weil sie nicht mehr den internationalen Standards der Lebensmittelindustrie entsprechen.

Vieles hier erinnert an das Maggiatal, aber wir befinden uns in New Port, im Herzen von Rhode Island, dem kleinsten Bundesstaat der USA. Die Stadt mit ihren 24 000 Einwohnern war seit jeher ein beliebtes Urlaubsziel der New Yorker Bourgeoisie. Davon zeugen die Zypressenalleen, die zu stattlichen Villen im neoklassischen Stil führen. Gegensätzlicher könnten die einfachen Steinhäuser und Weiden mit ihren Wiederkäuern und seltenen Schafen nicht sein.

Schweizer Dorf und CVM-Schafe

Eine Erklärung dafür findet sich in der Vergangenheit, in der Person von Arthur Curtiss James (1867–1941), einem Magnaten der Bergbauindustrie und einem der reichsten Männer der USA jener Zeit. Er verbrachte seine Flitterwochen in Europa, unter anderem auch in die Schweiz und im Tessin, wo er sich in das typische Tessiner Rustico verliebte. Zurück in der Heimat hatte er solche Sehnsucht nach diesen Steinhäusern, dass er eine Gruppe von New Yorker Architekten mit dem Bau eines Dorfes mit Rustici in New Port beauftragte. Er wollte auf seinem Grundstück aber auch Nutztiere wie Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner halten, um so die Leidenschaft seines Vaters, eines Hobbyzüchters, fortzusetzen. Er verwirklichte seinen Traum und erlebte mit seiner Familie goldene Jahre in diesem Paradies, das ein wenig der Schweiz ähnelte. Nach seinem Tod im Jahr 1941 verkleinerte sich sein Besitz von Generation zu Generation. Das Anwesen wurde verkauft und zerfiel nach mehreren Besitzerwechseln. Erst 1990 erstrahlte es wieder in alter Pracht, nachdem es von der Milliardärin Dorrance Hamilton, Erbin der Campbell Soup Company, erworben und vollständig renoviert wurde. Die Suppe wurde durch Warhols Bilder mit den Konservendosen bekannt. Um auch die Nutztiere wieder anzusiedeln, holte Dorrance Hamilton Rat bei der Tufts University in Boston, einer der besten veterinärmedizinischen Universitäten der USA. Aus dieser Idee entstand ein Zentrum für Veterinärforschung und ein Schutzgebiet für die Erhaltung seltener Nutztiere. Das Projekt erhielt den Namen «Swiss Village Foundation» (SVF).

.
SVF Leitende Herdsperson, Nick Bowley und Galloway Kuh Lenape

 

Ihr Ziel ist es, den fortschreitenden Verlust an Biodiversität aufzuhalten. Im Zentrum der modernen Zuchtbestrebungen steht grundsätzlich die Ertragssteigerung, die jedoch auf Kosten einer genetischen Verarmung geht. Nutztiere liefern zwar mehr Fleisch, Milch oder Wolle, aber sie werden nicht resistenter gegen Krankheiten und Witterungsbedingungen. Folglich besteht ein Interesse an Strategien zur Erhaltung der Biodiversität. In der Schweiz setzt sich die Stiftung ProSpeciaRara für seltene Arten ein und nutzt dazu die sozialen Medien. Züchter können auf einer Plattform für die Paarung von Tieren die Profile ihrer schönsten Tiere hochladen. In Rhode Island wird jedoch eine andere Strategie verfolgt. Die SVF nimmt ihre Besucherinnen und Besucher nicht nur auf eine Reise in die Schweiz, sondern auch auf eine Reise in die Vergangenheit mit. Zeugen sind die 15 traditionellen Rustici. Gleichzeitig führt sie sie in die Zukunft, den hinter den alten Steinmauern verbirgt sich ein futuristischer Jurassic Park. Dort befinden sich Labors mit modernsten Einrichtungen, in denen Forschende in weissen Mänteln Proben von genetischem Material sammeln und konservieren. Gemäss Sarah Bovley, operative Programmleiterin, verfügt die SVF heute bereits über eine Sammlung von 140 000 Proben von mindestens 35 gefährdeten Rinder- und Schafarten aus den USA. Die Proben der Biobanken werden in Flüssigstickstoffbehältern konserviert. Durch die In-vitro-Fertilisation und den Embryotransfer können ausgestorbene Tierarten wieder zurückgeholt werden. 

.
SVF Labor