Genfer See

Wasser aus dem Genfersee heizt und kühlt Gebäude

In Genf werden rund 50 Gebäude mit Wasser aus dem Genfersee geheizt und gekühlt. Zu diesem Zweck wird das Seewasser als lokale, erneuerbare Energiequelle für die Wärmeproduktion genutzt (Hydrothermie).

Ein ökologisches Wärme- und Kältenetz ist machbar – das belegt ein 2009 im Kanton Genf lanciertes Projekt. Es heisst GeniLac und ist dank Hydrothermie eine Alternative zu Klimaanlagen sowie Öl- und Gasheizungen. GeniLac ist Teil der kantonalen Energiestrategie und wird vom Genfer Versorgungsunternehmen SIG (Services industriels de Genève) betrieben. 

Genfer See

 

«Die Projektidee entstand bereits 2004. Damals führten wir eine Machbarkeitsstudie für ein hydrothermisches Netzwerk im UNO-Quartier, das eine hohe Energiedichte aufweist, durch. Als mögliche Lösung kam Hydrothermie infrage, weil sich die Gebäude aufgrund ihrer Grösse für ein solches System eignen», erklärt Fabrice Malla, Bauherrenvertreter des hydrothermischen Netzwerks GeniLac bei den SIG. «Seither wurde das Netz mit der Unterstützung der EU-Initiative CONCERTO und dank Hilfsgeldern der Europäischen Kommission weiterentwickelt und auf den gesamten Stadtbereich und darüber hinaus ausgedehnt.»

Ein Grossprojekt

Zu Beginn des Projekts, das ursprünglich GLN (Genève-Lac-Nations) hiess, wurden einige Gebäude im UNO-Quartier ans Netz angeschlossen. 2018 ermöglichte die Effizienz des Systems eine Erweiterung ins Stadtzentrum und auf sieben Genfer Gemeinden. Heute nutzen rund 50 Gebäude diese Technologie, bis 2035 sollen über 350 angeschlossen sein.

Construction de la station de pompage du Vengeron.
Bau der Pumpstation Vengeron.
 © Magali Girardin

 

 «Aufgrund eines zu geringen Röhrendurchmessers kam das Netz rasch an seine Grenzen. Ab 2012 gingen bei den SIG über hundert Interessenbekundungen für einen Anschluss ans Netz ein. Mit GeniLac konnte die Pumpleistung bis in die Genfer Innenstadt erhöht werden», sagt Fabrice Malla.

Das System funktioniert mit Wärmepumpen in den Gebäuden, die an die unterirdischen Leitungen angeschlossen sind. Eine solche Infrastruktur im dicht besiedelten Raum der Stadt Genf zu realisieren, ist kein leichtes Unterfangen. «Um die umfangreichen Bauarbeiten zu optimieren und den Verkehr nicht wiederholt zu stören, haben wir uns insbesondere mit dem Bundesamt für Strassen und Swissgrid, der Schweizer Übertragungsnetzbetreiberin, abgesprochen. Einige unserer Leitungen wurden parallel zu einer Hochspannungsleitung unter dem Pannenstreifen der Autobahn verlegt», erklärt der GeniLac-Koordinator. Zwar setzen auch die ETHL und Zürich hydrothermische Systeme ein, in Bezug auf das Ausmass und die verwendete Technologie ist die Infrastruktur in Genf jedoch einzigartig.

Lokale Ressource

Das Wasser aus dem Genfersee heizt und kühlt Gebäude. «Der See ist einerseits eine lokale und schier unerschöpfliche Energiequelle. Ausserdem eignet er sich ideal, weil wir in einer Tiefe von 45 Metern ganzjährig Wasser mit einer konstanten Temperatur entnehmen können. Dieses wird durch einen Wärmetauscher gepumpt und kühlt im Sommer die angeschlossenen Gebäude. 

Pose des conduites GeniLac.
Verlegung von GeniLac-Rohren.
© Yves Bussard

 

Gegenüber herkömmlichen Kühlsystemen ermöglichen hydrothermische Technologien eine zwanzigmal höhere Leistung.
Im Winter produzieren die Wärmepumpen, die zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben werden und somit den CO2-Ausstoss massiv reduzieren, warmes Wasser», erläutert Fabrice Malla. Heute werden pro Stunde 6000 m3 Wasser aus dem See gepumpt. Bis 2035 soll das Pumpvolumen auf das Sechsfache gesteigert werden, um Klimaanlagen sowie Öl- und Gasheizungen abzulösen.  
 

Nachhaltige Entwicklung als Priorität 

In Genf muss von Gesetzes wegen jeder aufgrund einer Baustelle gefällte Baum durch einen anderen einheimischen Baum ersetzt werden. Diese Ausgewogenheit liegt den SIG besonders am Herzen: Um die Auswirkungen der Bauarbeiten auf die Anwohnerinnen und Anwohner zu kompensieren, haben sie eine Vogelinsel und ein Röhricht errichtet.

Nachhaltige Entwicklung, erneuerbare Energien und Umwelt stehen bei den SIG seit 2009 im Vordergrund

betont Véronique Tanerg, Sprecherin des Genfer Energieversorgers. «Wir haben ausserdem zwei Umwelt- und Innovationsfonds eingerichtet, die von unseren Kundinnen und Kunden finanziert werden, die für ihren Strom freiwillig etwas mehr bezahlen.» GeniLac ist nicht die einzige nachhaltige Lösung der SIG. «Bei den Kläranlagen haben wir ein Projekt zur Wärmerückgewinnung für die Fernwärme», verrät Fabrice Malla. «Um von fossilen Brennstoffen wegzukommen, setzen wir auf Geothermie. Unser Ziel ist es, im Kanton mittelfristig 80 Prozent erneuerbare Energie zu produzieren.

 Conduites GeniLac
GeniLac-Rohre.
© Yves Bussard

 

2022 wird die Genfer Bevölkerung über den Ausbau der thermischen Netze abstimmen können. «Als öffentliches Unternehmen werden wir die Autobahnen für erneuerbare Wärmeenergie bauen. Den Servicebereich, namentlich die Heizungsanlagen, übernehmen hingegen lokale Betriebe, die in der kleinräumigen Wirtschaft verankert sind. Diese Komplementarität trägt zum Erfolg des Projekts bei, das das grösste industrielle und ökologische Projekt Genfs im nächsten Jahrzehnt ist», sagt Christian Brunier, Generaldirektor der SIG.

«Das Vorhaben schont nicht nur unseren Planeten, sondern sorgt auch nachhaltig für wirtschaftliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze.» Mögen diese erfreulichen Perspektiven auch anderen öffentlich-rechtlichen Unternehmen ein Ansporn sein.