Die Schweiz wird zum Datentresor der Welt
Qualität, Stabilität, Neutralität, Vertraulichkeit: Unser Land nutzt seine Stärken und investiert in die Datenökonomie. Es hat den Ehrgeiz, ein sicherer Hafen für vertrauliche physische und digitale Daten von in- und ausländischen Unternehmen zu werden.
Die Schweiz will sich angesichts des exponentiellen Wachstums der digitalen Daten neu positionieren. Sie setzt jetzt auf den Schutz von physischen und digitalen Daten, die auf Schweizer Serverfarmen gelagert sind. Aufgrund ihres guten Rufs als Hort der Qualität, Stabilität, Respektabilität und Neutralität verfügt die Schweiz über viele Vorteile, mit denen sie die Pole-Position unter den Ländern, die die physischen und digitalen Daten von schweizerischen und internationalen Unternehmen lagern, erobern kann. Am 20. April 2016 hat der Bundesrat die Strategie «Digitale Schweiz» verabschiedet. Damit verfügt die Schweiz über einen Plan, um die digitalen Herausforderungen anzugehen. Im Zentrum der Diskussion stehen die Datenökonomie und ihre Sicherheit.
Mit der rasch fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft wird der Schutz der Daten von Personen, Unternehmen und Staaten immer wichtiger. Die Zunahme von Diebstählen von schützenswerten Daten durch Cyberkriminelle hat den Sicherheitsbedarf nur noch erhöht. Die Schweiz verfügt hier über grosse Vorteile. Im weltweiten Ranking des Data Centre Risk Index über die attraktivsten Länder für Rechen- oder Datenzentren liegt sie auf dem 11. Rang.
Faktor Rechtsstaatlichkeit
Mehrere Faktoren erklären diese Attraktivität. Aus rechtsstaatlicher Sicht geniesst die Schweiz einen guten Ruf, was die Vertraulichkeit und den Datenschutz angeht. Das Bundesgesetz über den Datenschutz, das 2016 revidiert werden soll, gilt für die Bearbeitung aller digitalen und nichtdigitalen Personendaten. Mit andern Worten: Daten, die legal in Schweizer Datenzentren gelagert sind – ob physisch (CD) oder digital –, sind grundsätzlich vor unbefugten Zugriffen geschützt.
Dazu kommen die politische Stabilität, die Neutralität und der sichere und günstige Strom, der fast ohne CO2-Emissionen produziert wird. Bis zu 60 Prozent des Stroms stammt aus Wasserkraft und ist damit erneuerbar. Denn eine Serverfarm verschlingt zuerst einmal sehr viel Energie zur Bereitstellung der nötigen Leistung zur Kühlung der auf Hochtouren laufenden Server.
Ein Staatsgebiet für Datenzentren
Heute beherbergt die Schweiz über 62 Datenzentren, sog. Colocations, die von mehreren Unternehmen gemeinsam genutzt werden. In dieser Zahl nicht eingeschlossen sind private Datenzentren wie diejenigen der UBS oder der Swisscom. Eine Fläche von über 150'000 m2 ist für das Hosting von Daten bestimmt, das sind über 20 Fussballfelder. Damit hat die von Datenzentren beanspruchte Fläche gemäss einer Studie des Instituts für Wirtschaftsstudien in Basel (IWSB) seit 2011 um 63 Prozent zugenommen. Auf europäischer Ebene liegt die Schweiz auf Platz 6 der Länder mit der grössten Fläche für Rechenzentren. Ein Rechenzentrum mit einer Fläche von 10'000 m2 verbraucht gleich viel Strom wie eine Stadt mit 50'000 Einwohnern.
Viele Schweizer Unternehmen, insbesondere in der Westschweiz, profitieren von der Attraktivität der Schweiz und profilieren sich als Hosting-Standorte, wie z. B. Safe Host, das schon über ein erstes Datenzentrum in Plan les-Ouates im Kanton Genf verfügt und jetzt daran ist, in Gland (Kanton Waadt) ein zweites Zentrum mit einer Fläche von 18'000 m2 zu eröffnen. Die Serverfläche wird etappenweise in Betrieb genommen. Dazu gehören auch T3 Risk Management, Wisekey, Seculabs, SCRT, NetGuardians, Navixia, Equinix, Brainserve usw. In der Schweiz findet ein wahrer Boom statt.
Zusammenschluss von Datenzentren
Um die Vorteile der Datenspeicherung in der Schweiz international besser bekannt zu machen, wurde im Februar 2016 der Verband Vigiswiss gegründet. Er umfasst im Moment zwölf Schweizer Hosting-Unternehmen, darunter Deltalis, Safe Host und Abissa. Die wichtigsten Datenzentren haben sich damit unter einem Qualitätssiegel zusammengeschlossen, um die Vorteile der Datenspeicherung in der Schweiz weltweit besser bekannt zu machen.
Laut der Präsidentin des Strategischen Ausschusses von Vigiswiss, Laurence Jovignot-Halifi, will der Verband die besten Schweizer Unternehmen in den Bereichen Datenspeicherung und Datenschutz zusammenbringen, um die Schweiz als digitalen Datentresor im Ausland besser vertreten zu können. Das Angebot von Vigiswiss richtet sich sowohl an Regierungen wie an Unternehmen und internationale Organisationen, die ihre vertraulichen Daten schützen wollen.
Eine schützenswerte neue Branche
Die Datenzentren, die dem Verband Vigiswiss beitreten, unterzeichnen eine Qualitätscharta, mit der sie sich verpflichten, ein hohes Sicherheitsniveau zu garantieren und keine illegalen Daten zu beherbergen. Bei Problemen müssen die zertifizierten Datenzentren ihren Kundinnen und Kunden innerhalb von 24 Stunden eine Lösung bieten. Mit dem Qualitätslabel soll internationalen Kundinnen und Kunden die höchste Sicherheitsstufe für ihre Daten garantiert werden. Die Mitglieder des Verbands sollen regelmässig von einer unabhängigen Instanz überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie diese Normen auch wirklich einhalten.
Das zweite Ziel von Vigiswiss ist es, den Gesetzgeber über die wirtschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Aufbewahrung, der Sicherheit und der Vertraulichkeit von Daten in der Schweiz zu informieren. Gemäss dem Verband müssen günstige Rahmenbedingungen zur Unterstützung dieser neuen Wirtschaftsbranche geschaffen werden. Die Schweiz lehnte bisher die Kontrolle von gespeicherten Daten durch staatliche Stellen ab: Dies verschafft ihr im Vergleich zu anderen Ländern einen Wettbewerbsvorteil, den Vigiswiss erhalten möchte, um für ausländische Kundinnen und Kunden attraktiv zu bleiben.
Die Armee nutzt ihre Bunker um
Private Akteure sind nicht die einzigen, die verstanden haben, dass die Schweiz in der Data Economy eine wichtige Rolle spielen könnte. Seit mehreren Jahren nutzt die Schweizer Armee ihre Bunker in private Datenzentren um. Dies ist unter anderem im ehemaligen Kommandoposten Attinghausen im Kanton Uri der Fall. Seit dem Umbau beherbergt er eines der grössten Datenzentren des Landes für in- und ausländische Unternehmen. Dabei beträgt der Anteil der ausländischen Kunden 30 Prozent.
Der Bunker von Attinghausen liegt 10 km vom Vierwaldstättersee entfernt, 1500 m tief unter der Felsoberfläche und geschützt durch vier Tonnen schwere atombombensichere Tore, hinter denen unter anderem die Server von Privatbanken, Pharmafirmen und Multis summen. Das Datenzentrum, dessen GPS-Koordinaten geheim gehalten werden, erinnert an das Versteck des Bösewichts in einem Spionagefilm. Es umfasst 15’000 m2 Gänge und Räume, verteilt auf drei Stöcke.
318 iPhones pro Haushalt
Bis jetzt ist ein Drittel der Fläche vermietet. Angesichts der wachsenden Nachfrage im Ausland werden die Betreiber des Datenzentrums in Attinghausen keine Mühe haben, den Rest zu vermieten.
Gemäss dem Marktforschungsinstitut IDC verdoppelt sich das weltweite Datenvolumen jedes Jahr. Im Jahr 2020 wird man die Speicherkapazität von 318 iPhones 6S (32 GB) brauchen, um die jährlich von einem Haushalt produzierten Daten zu speichern.