Lassen Sie sich von diesen Schweizer AOP überraschen!
In der Schweiz tragen 23 landwirtschaftliche Produkte das Label AOP (Appellation d’Origine Protégée). Einige davon wie der Gruyère oder der Walliser Raclette-Käse sind weitherum berühmt, andere wie der Munder Safran oder der Cardon épineux genevois (Genfer Cardon) dagegen kaum bekannt.
Was haben Abricotine, Vacherin Fribourgeois und Walliser Roggenbrot gemeinsam? Sie gehören zu den 23 traditionellen Schweizer Spezialitäten mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung (AOP). Dieses offizielle Qualitätszeichen, das 2017 sein 20-jähriges Bestehen feierte, soll die Produzenten und ihr oft althergebrachtes Know-how schützen. «Früher konnte man unter dem Schild gewisser Bezeichnungen alles Mögliche finden», erklärt Alain Farine, Direktor der Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP. Heute sind es ausschliesslich Produkte, die nach einem Originalrezept in handwerklicher Tradition im Ursprungsgebiet hergestellt werden. Dies gibt auch den Konsumentinnen und Konsumenten Gewissheit.
Die AOP ist ein Zeichen für die Wertschätzung des Handwerks und der Qualität der Schweizer Agrarprodukte. «Es sind herausragende Produkte», hält Alain Farine fest. «Die Spezialitäten unseres Terroirs widerspiegeln die Perfektion und Liebe zum Detail, die typisch sind für das Schweizer Handwerk.» Das zeigen die vier folgenden, mitunter überraschenden Beispiele.
Das rote Gold des Wallis
Der Munder Safran wird seit 2004 mit der Ursprungsbezeichnung AOP geschützt. Das Bergdorf Mund, auf 1200 Metern oberhalb von Brig an den Südhängen des Rhonetals gelegen, ist der einzige Ort in Mitteleuropa, an dem der violette Crocus Sativus noch angepflanzt, geerntet und verarbeitet wird. Spanische Pilger brachten den Safran im 15. Jahrhundert nach Mund. Die ursprünglich in Kaschmir beheimatete Krokusart liebt die sandigen Böden und das trockene Klima der Region.
Jedes Jahr gegen Ende August werden in Mund die Zwiebeln gepflanzt. Die Ernte findet zwischen Mitte September und November statt. Die Blumen werden innerhalb von drei Tagen nach der Blüte von Hand geerntet. Die Safranfäden werden von der Blüte getrennt und während 48 Stunden getrocknet. Anschliessend können die wertvollen Fäden in Gläsern aufbewahrt werden. Für ein Gramm Safran werden 180 Blüten benötigt. Heute werden in Mund jährlich rund vier Kilo Safran produziert. Safran aus Mund ist sehr gesucht und nur vor Ort erhältlich. Er kann auch in Form von lokalen Spezialitäten wie Safranbrot oder Safranlikör genossen werden.
Der König unter dem Genfer Gemüse
Der Cardon épineux genevois (deutsch: Kardy oder Kardone) trägt seit 2003 die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP. Er ist das einzige Schweizer Gemüse mit diesem Qualitätszeichen. Das Gewächs wurde im 17. Jahrhundert von den hugenottischen Flüchtlingen nach Genf gebracht und wird nur in der Region Genf angebaut. Aber schon die Griechen und Römer assen Kardy: Die Pflanze, eine Verwandte der Artischocke, stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Im Laufe der Zeit haben die Genfer Gemüsebauern den Kardy weiter gezüchtet und verbessert. Der Cardon argenté épineux gilt als edelste unter den verschiedenen Sorten.
In Genf werden jedes Jahr rund sieben Hektaren mit Kardy bepflanzt und 130 Tonnen geerntet. Das distelartige Blattstielgemüse mit den silberblauen Blättern wird ab Mai ausgepflanzt und kann eine Höhe von 1 Meter 50 erreichen. Im Oktober ist das Gemüse erntereif, wird dann aber noch in Folie gewickelt im Dunkeln gebleicht. Gegessen werden nur die Blattstiele und Stängel des Kardy.
Der Cardon argenté épineux wird als frisches Gemüse, als Konservengemüse oder als sterilisiertes Produkt verkauft. Er wird traditionellerweise während der Weihnachtsfesttage mit Rahm und Reibkäse gratiniert und als Beilage zu Geflügel serviert.
Der Stolz des Rheintals
Der Rheintaler Ribelmais trägt seit 2000 als zweites Schweizer Produkt nach dem Etivaz-Käse die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP. Maisspezialitäten werden traditionell mit dem italienischsprachigen Raum in Verbindung gebracht. Aber im St. Galler Rheintal, einer Region zwischen dem Kanton Graubünden und dem Bodensee, wird seit dem 17. Jahrhundert eine alte Sorte Mais – hier «Türggen» genannt – angebaut. Der Mais, der vermutlich über Italien den Weg ins Rheintal fand, gedeiht in dem feuchtwarmen Klima bestens. Über Jahrhunderte war er zu Maisgriess verarbeitet das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung. Dann geriet er in Vergessenheit, bis er dank einer lokalen Initiative die AOP erhielt und gerettet wurde. Der Rheintaler Ribelmais AOP ist heute eng mit der Identität der Region verbunden.
Der «Türggen» wird im Mai ausgesät und im Herbst geerntet. Nach der Ernte wird er entkörnt und getrocknet und später in der Mühle verarbeitet. Das Mahlgut wird durch mehrere Siebe geleitet und auf diese Weise nach verschiedenen Feinheitsgraden aufgetrennt. Als Mahlprodukte fallen Griess, Dunste und Mehl an, die gemischt oder getrennt werden, um den Ribelmais zu gewinnen. Zur Herstellung von Rheintaler Ribel lässt man den Ribelmais ausgiebig quellen. Anschliessend wird er langsam geröstet, bis sich leicht geröstete Krümelchen bilden. Ribel wird traditionell mit Milchkaffee oder einem Früchtekompott serviert.
Die edlen Freiburger Birnen
Die Poire à Botzi ist seit 2004 mit der Ursprungsbezeichnung AOP geschützt. Man findet die Birnensorte an den südlichen Gestaden des Neuenburgersees und in den Freiburger Voralpen. Das Wort «Botzi» bedeutet Büschel oder Trauben im Freiburger Patois. Das büschelförmige Wachstum ist tatsächlich ein charakteristisches Merkmal dieser im Spätsommer erntereifen Sorte. Diese zeichnet sich zudem durch ihr festes, häufig mehliges Fruchtfleisch und einen angenehmen Geschmack aus. Besonders lecker ist die Birne gekocht, in Form von Kompott, Obstkuchen oder als Beilage zu Fleisch. Sie gehört als Begleiterin des Ragouts zum traditionellen Menü der «Bénichon», einem Freiburger Volksfest, das zum Abschluss der Feldarbeiten gefeiert wird.
Der Überlieferung nach haben Freiburger Söldner im Dienste der Päpstlichen Garde die Sorte vor 300 Jahren aus Italien mitgebracht. Die Poire à Botzi ist eher schwierig im Anbau und erfordert entsprechend viel lokales Know-how. Mit dem Rückgang der traditionellen Hochstamm-Obstgärten brach die Produktion fast vollständig ein. Seit den 1970er-Jahren steigt das Interesse am Anbau dieser Sorte wieder. Heute wird die Poire à Botzi AOP von rund zwanzig Produzenten auf fünf Hektaren angebaut.