Schweizer Start-ups machen WhatsApp, Gmail und Facebook Konkurrenz
Die Sicherheit der Kommunikation ist zu einer gesellschaftlichen Herausforderung geworden. Rund zwanzig Schweizer Unternehmen haben eigene Anwendungen für Chat, Mitteilungen oder Datenspeicherung entwickelt, welche die Privatsphäre der Nutzenden respektieren.
Dank den Enthüllungen von Edward Snowden über die Überwachungsmethoden des amerikanischen Geheimdienstes NSA wissen wir heute, wie unsicher unsere Kommunikationsmittel – Skype, WhatsApp, Gmail, iMessage, Facebook Messenger usw. – sind. Die üblichen Angebote reichen nicht aus, um die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer zu schützen. Rund zwanzig Schweizer Unternehmen haben daher ähnliche Angebote entwickelt wie die Grossen im Silicon Valley, arbeiten jedoch mit verschlüsselter Kommunikation. Zum Beispiel Threema, ProtonMail oder Wire.
Eine Alternative zu WhatsApp
Das 2012 im Kanton Schwyz entstandene Start-up Treema entwickelte einen gleichnamigen Mitteilungsdienst, der WhatsApp Konkurrenz macht. Die App, die zwei Franken kostet und auf iOS und Android läuft, verschlüsselt Textnachrichten, Bilder und die Geodaten. Verschlüsselung ist ein Oberbegriff für alle Techniken zur Chiffrierung von akustischer oder schriftlicher Kommunikation mit einem Algorithmus und einem Chiffrierschlüssel. Bei der Chiffrierung geht es darum, eine Mitteilung in einen Code umzuwandeln, den der Kommunikationspartner dechiffrieren kann, sofern er den Algorithmus kennt und den Chiffrierschlüssel besitzt.
Bei Threema erfolgt die Codierung über Chiffrierschlüssel. Einzig das Mobiltelefon des Empfängers ist in der Lage, die verschickte Mitteilung zu lesen. Die Nutzerinnen und Nutzer können ihr ganzes Adressbuch synchronisieren oder neue Kontakte manuell integrieren, indem sie deren QR-Code einscannen. Einziger Haken: Das Unternehmen ist nicht sehr transparent bezüglich der Sicherheit seines Quellcodes, der noch immer nicht von unabhängiger Seite geprüft wurde.
Wegen der Terrorgefahr sind alle Unternehmen, die Lösungen für verschlüsselte Kommunikation anbieten, auf dem Radar der Staaten, die befürchten, diese Dienste würden auch für den Austausch von Informationen über Anschläge genutzt. Nach den Attentaten von Paris im November 2015 entstand eine Kontroverse um Threema wie um alle seine Konkurrenten. Die Bundesbehörden waren der Meinung, die Dschihadisten hätten ihre Anschläge mithilfe der App geplant. Das Schwyzer Start-up wehrte sich gegen diesen Vorwurf.
Der Maildienst ProtonMail
Der 28-jährige Andy Yen, Mitgründer von ProtonMail, gibt ohne Umschweife zu: Er hat Edward Snowden viel zu verdanken. Ohne die brisanten Enthüllungen des ehemaligen Informatikers des US-Geheimdienstes NSA hätte sich das 2013 gegründete und auf gesicherten Mailverkehr spezialisierte Genfer Start-up nicht so erfolgreich entwickelt. Von der angesehenen britischen Zeitschrift Business Insider zum aussichtsreichsten Schweizer Start-up des Jahres 2015 gewählt, war ProtonMail dort erfolgreich, wo viele andere scheiterten, indem es die Verschlüsselung des Mailverkehrs demokratisierte.
Die Sicherheit des Angebotes von ProtonMail basiert auf dem standardisierten Verschlüsselungsformat Open PGP, das für die Chiffrierung und Authentifizierung der elektronischen Post eingesetzt wird. All Anwendungen sind open source: ein Garant für Transparenz gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern, die gemeinsam zur Verbesserung des Dienstes beitragen können. Transparenz und garantierte Sicherheit: Diese Mischung ist das Erfolgsrezept von ProtonMail, denn das Genfer Start-up hat kürzlich eine Zusammenarbeit mit Facebook abgeschlossen. Seit Juni 2015 betreut es die verschlüsselten Mitteilungen des sozialen Netzwerks.
ProtonMail ist 2013 durch Zufall entstanden. Die drei Wissenschaftler Andy Yen, Jason Stockman und Wei Sun, die damals in der Grundlagenforschung am CERN arbeiteten, wollten ein gesichertes internes E-Mail-System entwickeln, um miteinander zu kommunizieren. Nach einer achtmonatigen Entwicklungsphase liessen sie die Betaversion ihrer Anwendung von 10 000 Personen testen. Das Feedback war gut, und so wurde daraus ein Produkt entwickelt.
Im März 2015 erhielt die Firma, die ihren Sitz in Plan-les-Ouates (GE) hat, zwei Millionen Dollar, um die Nachfrage nach ihrem sicheren Kommunikationsdienst befriedigen zu können. Doch im November des gleichen Jahres kam es zur Katastrophe. ProtonMail wurde Opfer eines Hackerangriffs von seltener Heftigkeit. Das Start-up brauchte Wochen, um sich wieder aufzurappeln. Heute ist es wieder auf Erfolgskurs. ProtonMail hat die Zahl seiner Nutzerinnen und Nutzer nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA verdoppelt. Fast zwei Millionen Menschen weltweit benutzen den sicheren Maildienst.
Elektronische Mitteilungen und Datenspeicherung
Seit zwei Jahren muss sich Threema mit einem neuen Konkurrenten auseinandersetzen: Wire. Nach dem Aufschrei im Herbst dieses Jahres wegen des Datenaustauschs zwischen Facebook und WhatsApp machte sich diese Firma mit Sitz in Zug ebenfalls für den Schutz der Privatsphäre bei Online-Anwendungen stark. Wire, das von Janus Friis (dem Gründer von Skype), Jonathan Christensen und Alan Duric zwischen Berlin und Zug gegründet wurde, bietet einen open-source-basierten, intuitiven verschlüsselten Nachrichtendienst an. Zusätzlich gibt es qualitativ gute Videoanrufe sowie die Übermittlung von farbigen GIFs.
Seit ihrer Lancierung im Dezember 2014 wurde die App bereits fünf Millionen Mal für Android heruntergeladen. Dasselbe gilt für iOS. Aufgrund dieses Erfolgs wird das Unternehmen in den nächsten Monaten zu seinen 65 bisherigen Angestellten zehn weitere neu anstellen. Doch seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung hat das Jungunternehmen in Berlin angesiedelt.
Sein Geschäftsmodell basiert hauptsächlich auf einem Premiumangebot, zum Beispiel dem Erwerb von mehr Speicherplatz. Wire reagiert auch auf die Kommunikationsbedürfnisse grosser Unternehmen. Mit dem Messaging-Dienst von Wire können über 200 Personen gleichzeitig an einem Chat teilnehmen. Zurzeit ist das Schweizer Start-up das einzige auf diesem Markt für Unternehmen. Ein Wettbewerbsvorteil, den die Firma nutzen möchte.