Start-up-Gründerinnen made in Switzerland
Sie heissen Alisée de Tonnac, Abir Oreibi, Emilie Joly oder Lea von Bidder. Sagen Ihnen diese Namen nichts? Diese Schweizerinnen stehen jedoch an der Spitze von Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Agenturen zur Förderung neuer Technologien.
Mit der wachsenden Popularität sozialer Netzwerke und viraler Kommunikation wächst der Frauenanteil in der Welt der «Geeks», der «Techies» und des Internets. In der Schweiz werden 14,5 % der Unternehmen von Frauen gegründet. Ein immer noch kleiner Prozentsatz für ein Land, das zu den innovativsten der Welt zählt und in dem Unternehmerinnen eine entscheidende Rolle spielen. In der Schweiz sollen mehrere Initiativen diesen Trend beschleunigen.
So bringt zum Beispiel die Gruppe Women in Digital Switzerland mit ihren 1500 Mitgliedern in der Digitalbranche tätige Schweizerinnen zusammen und will diesen ermöglichen, untereinander ihre Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen.
An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL) weckt das Gleichstellungsbüro unter den 3000 Studentinnen, Doktorandinnen und Postdoktorandinnen, also bei rund 30 % der Campusmitglieder, den Unternehmergeist. Ferner hat die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne den Prix Isabelle Musy ins Leben gerufen, mit dem jeweils die Geschäftsidee einer Unternehmerin für ein Start-up ausgezeichnet wird. Glücklicherweise sind aber viele Frauen auch ohne diesen Preis aktiv geworden. Im Folgenden stellen wir vier von ihnen vor:
Lea von Bidder – für eine vernetzte Gesundheit
Der Zürcherin Lea von Bidder wurde vom US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» im Jahr 2017, das sie auf die Liste der 100 bedeutendsten Firmengründerinnen setzte, bereits eine vielversprechende Zukunft prophezeit. In San Francisco machte ihr Start-up Ava auf dem Markt für Frauengesundheit von sich reden. Ava steht für ein ganz neuartiges Produkt: Ein Sensor-Armband, dessen Technologie am Schweizerischen Forschungszentrum für Elektronik und Mikrotechnik (CESM) in Zusammenarbeit mit der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) und dem Universitätsspital Zürich entwickelt wurde. Es erkennt die fruchtbare Phase bei Frauen, die schwanger werden wollen.
Das mit einer App verbundene Armband erfasst während der Nacht mehrere Millionen Datenpunkte zu Atmung, Schlafqualität, Ruhepuls, Körpertemperatur sowie weitere Parameter, die mit einem Anstieg der Reproduktionshormone korrelieren. Seit Lancierung des Produkts auf dem amerikanischen Markt im Juli 2016 kann das Start-up die Nachfrage kaum decken. «Die Technologie öffnet uns heute sämtliche Türen. Doch wenn es um die Erkennung der fruchtbaren Zyklusphase geht, verwenden die Frauen noch wie 1920 die Temperaturmethode, die alles andere als verlässlich ist», erklärte Lea von Bidder im Oktober 2016 in der Zeitung «Le Temps». «Es ist Zeit, das Zyklus-Tracking ins 21. Jahrhundert zu bringen.»
Abir Oreibi – Meisterin der Tech-Welt
Das unternehmerische Flair von Abir Oreibi zeigt sich in ihrer Fähigkeit, Genf jedes Jahr in eine Ideenschmiede zu verwandeln, die Vertreterinnen und Vertretern aus der Welt des Internets, der neuen Technologien, der digitalen Kunst aber auch der Internetökonomie die Möglichkeit gibt, ihre bahnbrechenden Ideen zu präsentieren. Abir Oreibi ist CEO von Lift Conference – der grossen jährlich durchgeführten Konferenzreihe für digitale Innovation – und versteht etwas von ihrem Fach. Unter ihrer Leitung wurde die Veranstaltung stark erweitert und findet heute auch in Basel, Bombay, Shanghai, Shenzhen oder Bangalore statt.
Wenn Abir Oreibi spricht, häufen sich Anglizismen – ein typischer Sprachtick von Innovationsträgern, der verrät, dass Berufs- und Privatleben von jeher auf ein internationales Umfeld ausgerichtet sind. Sie ist in Libyen geboren und kam im Alter von fünf Jahren nach Genf. Nach ihrem Lizenziat in Politikwissenschaften an der Universität Genf ging die Doppelbürgerin mit 22 nach Hongkong, wo sie am Institute for International Research (IIR) tätig war. Weitere Stationen waren Bangkok, Shanghai und schliesslich England, um in London die Niederlassung von Alibaba.com zu eröffnen. Seit Kurzem ist Abir Oreibi auch Mitglied der Kommission für Technologie und Innovation (CTI). Sie wurde vom Bundesrat gewählt, um sich im Förderbereich Start-up und Unternehmertum einzubringen.
Alisée de Tonnac – technologische Globetrotterin
Alisée de Tonnac, Absolventin der HEC Lausanne, ist CEO von Seedstars World, einem im Jahr 2013 lancierten Wettbewerb für Start-ups in Schwellenländern. Ziel dieses Wettbewerbs ist es, Start-ups zu entdecken und diese über regionale Vorauswahlen und eine jährlich in Lausanne stattfindende Endausscheidung rasch an den Markt zu bringen. Seedstars ist heute für Investoren ein bevorzugter Ansprechpartner und zwischenzeitlich zu einem weltweiten Kompetenzzentrum für Unternehmertum geworden.
Den beruflichen Stationen ihres Vaters folgend, ist die Schweizerin in verschiedenen Ländern aufgewachsen und gehört im Jahr 2017 gemäss Forbes für Europa zu den bedeutendsten Personen unter 30. Nachdem sie für ihr Studium in die Schweiz zurückgekehrt war, hat sie vor im Jahr 2013 Seedstars World mitgegründet. Sie war überzeugt, dass Innovation überall anzutreffen ist und dank Technologie Grenzen überwunden werden können. Sie ist aber auch der Ansicht, dass es nichts Besseres gibt, als sich untereinander auszutauschen. Zweifelsohne lebt Alisée de Tonnac deshalb auch zeitweise in Nigeria, wo mehrere Start-up-Unternehmen an Bezahlfunktionen für Smartphones und Innovationen im Banken- und Finanzbereich arbeiten.
Emilie Joly – richtungsweisende interaktive virtuelle Realität
Als Game-Designerin bewegt sie sich in der Videospielbranche in einer wahren Männerdomäne. Ihr Beruf? Interaktionsdesignerin – die Kunst und die Technik, mithilfe neuer Technologien Geschichten zu erzählen. Emilie Joly ist Mitgründerin des Genfer Studios apelab. Seit der Gründung 2014 sorgt das Start-up mit seiner neunteiligen animierten 360-Grad-Serie Sequenced im Stil eines Comics für Aufmerksamkeit in der Videospielbranche. Über eine VR-Brille interagiert der Spieler oder die Spielerin in einer virtuellen Umgebung. Über das Blickverhalten und über Bewegungen können verschiedene Elemente und Figuren aus der Umgebung animiert und so der Verlauf der Geschichte beeinflusst werden.
2015 war apelab eine der Attraktionen an der New-Frontier-Ausstellung am Sundance Film Festival. Dieser Auftritt ermöglichte es dem jungen Design-Studio, auf dem amerikanischen Markt Fuss zu fassen. «Dieser Schritt war für die Weiterverbreitung und Vermarktung unserer Technologien unerlässlich.» Seither ist apelab dabei, mit der Unterstützung von swissnex und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia den nordamerikanischen Markt zu erobern und hat 2015 in Los Angeles einen Ableger eröffnet.