iPhone

Didier Guzzoni: der Schweizer, der Siri erfand

Hinter Apples Sprachassistentin, die von Hunderten Millionen Menschen genutzt wird, steckt ein Ingenieur, der zwischen Mont-sur-Rolle und San Francisco pendelt. Ein Doppelleben, das es ihm erlaubt, «mit den Füssen auf dem Boden zu bleiben».

iPhone-Besitzer benutzen es mindestens einmal täglich, wenn nicht sogar mehrmals pro Stunde, um zu fragen, wie das Wetter am nächsten Tag wird, einen Termin im Kalender zu erstellen oder eine SMS an einen Freund zu senden. Siri, die intelligente persönliche Assistentin von Apple, ist neuerdings sogar imstande, zeit- und ortsabhängig den Versand einer Nachricht an einen bestimmten Kontakt vorzuschlagen, oder auf bestimmte Apps zuzugreifen. Und hinter Siri, die von Hunderten Millionen Menschen genutzt wird, steckt ein Schweizer Ingenieur: Didier Guzzoni.

Didier Guzzoni

Pferdeschwanz, breites Lächeln und schneller Redefluss: Der Mann erzählt begeistert von seinem Abenteuer, das ihn zu Apple geführt hat. Wir haben Didier Guzzoni kürzlich in Lausanne getroffen – für ihn, der in Mont-sur-Rolle wohnt, praktisch ein Katzensprung. Das hindert ihn auch nicht daran, die Entwicklung von Siri weiter voranzutreiben: Für Arbeitsaufenthalte im Silicon Valley fliegt er regelmässig nach San Francisco.

Ein unwiderstehliches Angebot

Didier Guzzoni führt ein berufliches Doppelleben zwischen Kalifornien und der Waadtländer Region La Côte. Sein USA-Abenteuer begann 1995. Nach Abschluss seines Informatikstudiums an der ETH Lausanne erhielt er die Möglichkeit, am Forschungsinstitut SRI International in Menlo Park ein dreimonatiges Praktikum zu absolvieren. «Ein solches Angebot konnte ich unmöglich ablehnen: Ich war 25 Jahre alt, ledig und konnte am SRI an Projekten arbeiten, die Roboter und Spracherkennung kombinierten», erzählt er. Ende der 1990er-Jahre, vor dem Platzen der Tech-Blase, herrschte im Silicon Valley Goldgräberstimmung. «Ich erinnere mich, dass Personalvermittler aufs Geratewohl irgendwelche Nummern im Forschungszentrum anriefen, uns fragten, ob wir in Java programmieren könnten und wie viel wir verdienten: Es ging nicht lange und mein Chef und zwei Kollegen wurden abgeworben, um für Start-ups zu arbeiten.»

Didier Guzzoni arbeitete weiterhin an Mensch-Maschine-Schnittstellen am SRI und lernte seine zukünftige Frau, eine Japanerin, kennen. «Da wir beide eine Familie in Europa gründen wollten, beschlossen wir, in die Schweiz zu ziehen.» 2004 kehrte Didier Guzzoni an die ETHL zurück, um im Medizinrobotiklabor unter der Leitung von Dr. Charles Baur seine Dissertation über künstliche Intelligenz zu schreiben. «Ich hatte ein sehr spezifisches und konkretes Ziel: auf der Grundlage des bereits Bestehenden eine Programmiersprache entwickeln, die einfach zu bedienen ist, um dem Menschen einen natürlichen Umgang mit Maschinen zu ermöglichen. Am Schluss bat ich mehrere Studierende der ETHL, auf der Basis dieser Programmiersprache ein kleines System zu entwickeln, um mit gesprochener Sprache eine Datenbank abzufragen, wie das Wetter in Lausanne wird. Es hat funktioniert.»

Siri zum Download

2007 kam Didier Guzzonis Tochter zur Welt. Damals hatte er dank seiner fundierten IT-Kenntnisse eine interessante und gut bezahlte Stelle in einer Genfer Bank inne. Doch schon bald meldete sich das SRI wieder. «Sie waren sehr interessiert an meiner Dissertation und sahen darin genug Potenzial für ein Produkt und die Gründung eines Unternehmens. Zusammen mit weiteren Fachleuten auf diesem Gebiet bildeten wir ein Team und das SRI erlaubte es uns, die erste Finanzierungsrunde rasch zu stemmen. Also verliess ich die Bank und arbeite ein Jahr lang an dem Projekt, das den Grundstein für das Unternehmen Active Technologies legte, aus dem 2007 die Firma Siri Inc. hervorging.»

Alle drei Monate kehrte Didier Guzzoni zu seinen Kollegen ins Silicon Valley zurück. Das Projekt schritt zügig voran, die Software Siri war vielversprechend. Im Februar 2010 stand sie im Apple App Store zum Download bereit, gleichzeitig war eine Version für Android- und Blackberry-Telefone verfügbar. Das blieb nicht unbemerkt.

Ein Anruf von… Steve Jobs

Wenige Tage später erhielt das Team einen Anruf. «Es war Steve Jobs. Er wollte uns treffen. Das ganze Team verbrachte einen Tag mit ihm. Es war wirklich unglaublich, einer solchen Legende zu begegnen...» Der CEO von Apple war sich seiner Sache sicher. «Er hatte eine sehr klare Vision, die Stimme sollte die neue Schnittstelle für sein Smartphone sein», erinnert sich Didier Guzzoni. Im April 2010 erwarb Apple Siri und das Team erhielt den Auftrag, die Software in das iPhone 4S zu integrieren, das Ende 2011 auf den Markt kam. Der Rest ist Geschichte. Siri ist auf allen Apple-Geräten wie iPhone, Apple Watch und Mac nutzbar, in mehr als dreissig Sprachen erhältlich und entwickelt sich ständig weiter. Mittlerweile haben Google und Microsoft nachgezogen und bieten ihre eigenen digitalen persönlichen Assistenten an.

Didier Guzzoni arbeitet weiterhin für Apple und teilt seine Zeit zwischen Beruf, Familie und lokalen Engagements auf. «Spannende Fachgespräche, die Hausaufgaben der Kinder und eine Diskussion im Gemeinderat an ein und demselben Tag: Das hält einen auf dem Boden», sagt Didier Guzzoni.

Der Artikel erschien ursprünglich in der Westschweizer Zeitung Le Temps

Autor: Anouch Seydtaghia

Bild und Copyright: Darrin Vanselow