Hansjorg Wyss

Porträt eines schweizerischen Unternehmers und Philanthropen, der die Welt retten will

Mit seiner Ankündigung, er wolle 1 Milliarde US-Dollar für Naturschutzprojekte spenden, sorgte der Schweizer Hansjörg Wyss für Aufsehen. Wer ist der diskrete Berner, der in den USA reich wurde?

Der Schweizer Unternehmer und Geschäftsmann Hansjörg Wyss setzt sich als Mäzen in erster Linie für den Umweltschutz und die Wissenschaft ein. Der Philanthrop begnügt sich aber nicht damit, zu den weltweit reichsten Menschen zu gehören – sein Vermögen wurde 2021 von Forbes auf 6 Milliarden US-Dollar geschätzt –, er ist auch einer der grosszügigsten. Werdegang eines Mäzens, der auszog, den Planeten zu retten.

Hansjorg Wyss

Tatendrang und Energie

Hansjörg Wyss wird es nicht in die Wiege gelegt, einst als Selfmademan und einer der bedeutendsten Wohltäter der Welt bekannt zu werden. Er kommt 1935 in Bern zur Welt. Damals schleppt man noch Kohlen aus dem Keller, um die Wohnung zu heizen, und die Familie lauscht mittags am Esstisch gemeinsam den Radionachrichten. Der älteste Sohn gilt als Energiebündel: Der leidenschaftliche Skifahrer berichtet 1964 gar für die NZZ von den Olympischen Winterspielen in Innsbruck. Während langer Spaziergänge an der Aare bringt ihm der Vater alles über die Natur bei. Seine Schwester behauptet hingegen, ihn habe vor allem die Schönheit der Landschaft berührt. Man ist fasziniert und beeindruckt von der Disziplin und dem Willen dieses Mannes, sein Bestes zu geben und seine Pläne zielstrebig umzusetzen.

Er beendet sein Studium an der Harvard Business School und arbeitet anschliessend in der Textilindustrie, später auch beim Automobilhersteller Chrysler. Beim Verkauf eines Flugzeugs lernt er einen der Gründer von Synthes kennen, einem hochspezialisierten Medizintechnikunternehmen, in das er in den 1970er-Jahren eintritt. Er wird später den US-amerikanischen Ableger des Konzerns gründen und dessen Leitung übernehmen, um ihn 2012 mit mehreren Milliarden Gewinn wieder zu veräussern.

Hansjorg Wyss

Fasziniert vom amerikanischen Westen

Dank seiner finanziellen Beiträge entsteht an der Universität Harvard 2009 das Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering. Zudem gründet er die Wyss Foundation, deren Zweck der Naturschutz ist. Innerhalb von zwanzig Jahren spendete die Wyss Foundation bereits 450 Millionen Dollar und gewährleistete damit in enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern den Schutz von weltweit 16 Millionen Hektar Land. Die Passion für weite, offene Landschaften keimt bei seinem Aufenthalt in den USA im Jahr 1958 auf. Als Student hatte er einen Job als Landvermesser in Colorado ergattert. Seither ist er fasziniert vom amerikanischen Westen. In Wyoming, wo seine Tochter und seine Enkel leben, hat er seinen Hauptwohnsitz, daneben ist er Hauseigentümer in Prangins (VD), besitzt ein Chalet in Lauenen bei Gstaad (BE) und ein Weingut in Kalifornien.

Aktiver Philanthrop

Der Schweizer zählt nicht nur zu den reichsten Menschen der Welt, sondern auch zu den grosszügigsten. Wyss hat The Giving Pledge unterschrieben, eine Kampagne der Amerikaner Warren Buffett und Bill Gates, mit der die wohlhabendsten Personen der Welt aufgefordert werden, den grössten Teil ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden. Der Mäzen finanziert überdies zahllose Initiativen, mit denen neue Methoden zur Lösung der globalen Herausforderungen in den Bereichen Medizin, Naturschutz, Kunst und humanitäre Anliegen gefördert werden sollen. So gehörte er insbesondere dem Konsortium an, das die Stiftung Campus Biotech ins Leben rief, ein Schweizer Exzellenzzentrum für Biotechnologie und Life Sciences. Ausserdem unterstützte er die Fondation Beyeler, deren Präsident er war, nachdem er seinem Freund Ernst Beyeler bei der Gründung des Museums unter die Arme gegriffen hatte.

Campus biotech
Das Campus Biotech wurde im 2015 auf Initiative der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), der Universität Genf, von Hansjörg Wyss und Familie Bertarelli gegründet wurde.

 

Eine Milliarde zur Rettung des Planeten

Er liegt Hansjörg Wyss am meisten am Herzen, unser Planet. Im Oktober 2018 verkündet er in der New York Times:

Wir müssen den Planeten retten. Zu diesem Zweck werde ich im Laufe des kommenden Jahrzehnts 1 Milliarde Dollar spenden. 

Die versprochene Milliarde wird, so hofft der Schweizer, dazu beitragen, bis 2030 insgesamt 30% der Landflächen und Ozeane zu schützen. Die Stiftung Wyss Campaign for Nature, die an die National Geographic Society angeschlossen ist, möchte demnach lokale Gemeinschaften und NGO unterstützen, die sich für die Schaffung oder Erhaltung von Naturschutzgebieten und -parks einsetzen. Neun erste Projekte wurden bereits ausgewählt. In Europa gehört das Fogarascher Gebirge in den rumänischen Südkarpaten dazu. Die NGO Fundatia Conservation Carpathia, die darum kämpft, dass diese Region zum Nationalpark erklärt wird, kann nun «weiterhin Wälder kaufen», sagt Exekutivdirektor Christoph Promberger. Carpathia wird seit 2007 von der Wyss Foundation unterstützt.

Ohne diese Unterstützung könnten wir unser Projekt nicht verwirklichen, da die Wyss Foundation eine der seltenen Geldgeberinnen ist, die sich für den Erwerb von Land einsetzen.

Mit seiner jüngsten Initiative zeigt Hansjörg Wyss, «welche unglaubliche Vorbildfunktion er einnimmt, von der sich viele Staatschefs eine Scheibe abschneiden könnten», freut sich Enric Sala, verantwortlicher Forscher für globalen Naturschutz bei der National Geographic Society. «Auf diese Weise können Milliardäre in die Bresche springen, wenn Regierungen nicht über die erforderlichen Mittel verfügen».

 

Dieser Artikel von Albertine Bourget erschien ursprünglich im Januar 2019 in der Westschweizer Zeitschrift L’Illustré