Virtuelle Realität made in Switzerland
Schweizer Start-ups profitieren vom Boom immersiver Technologien. Ob Unterhaltung, audiovisuelle Produktion, Videogames oder Medizin: Innovative Schweizer Unternehmen leisten Pionierarbeit in der Virtual-Reality-Branche und rücken die Schweiz ins Rampenlicht.
Virtual Reality (VR) ist das nächste Jahrhundertgeschäft. Davon sind die Riesen des kalifornischen Silicon Valley wie Facebook, Microsoft, Apple und Google überzeugt. Die Demokratisierung dieser Technologie, die der Anwenderin und dem Anwender das Gefühl gibt, tatsächlich in eine andere Welt einzutauchen, dürfte in naher Zukunft für einen nie dagewesenen Boom sorgen. Dies zeigt die neueste Marktstudie der Firma Trendforce: Demnach dürfte der Umsatz von Virtual-Reality-Geräten im Jahr 2016 weltweit 14 Millionen Einheiten erreichen. Im Jahr 2020 sollen es bereits 38 Millionen Einheiten sein.
Erfolgreicher Markteintritt in Kalifornien
Nachdem Virtual Reality in Videogames schon längst Standard ist, steht der Durchbruch in neuen Märkten wie Kino, Unterhaltung und Medizin unmittelbar bevor. In Kalifornien, dem Zentrum dieser schnell wachsenden Branche, positioniert sich die Schweiz als innovative Akteurin. Mehrere Schweizer Start-ups mit Ursprung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL) oder an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) haben den Markteintritt im Silicon Valley geschafft. Dies zeigt, dass die Schweiz bei der Entwicklung dieser immersiven Technologie eine führende Rolle spielt.
Vom 6. bis 8. Mai 2016 findet im Walliser Ferienort Crans-Montana die erste Ausgabe des World Virtual Reality Forum statt. Michel Reilhac hat den Vorsitz des Events übernommen, um die Adaptations- und Demokratisierungsfähigkeit der Technologie unter Beweis zu stellen. Das Forum will über die Grenzen der Branche und Inhalte hinausgehen, erklärt er. Das Programm beschränkt sich nicht auf eine Bestandsaufnahme der bestehenden Technologien. Auch die Diskussion der ethischen, standesrechtlichen und philosophischen Fragen, die sich mit dem Aufkommen der virtuellen Realität stellen, soll ihren Platz haben. Michel Reilhac hält die Schweiz für einen fruchtbaren Boden für solche international ausgerichtete Treffen, weil das Land auf dem Virtual-Reality-Markt über grosse Erfahrung verfügt.
Von der Game-Industrie zu den Neurowissenschaften
Dank Faceshift sorgte die Schweiz erstmals für Aufsehen in diesem Markt. Das von zwei Absolventen der ETHL gegründete Start-up hat eine Technologie zur Erkennung von Gesichtsbewegungen entwickelt, durch die sich menschliche Mimik in Echtzeit auf Avatare übertragen lässt. Aufgrund des grossen Erfolgs übersiedelte das Spin-off zunächst nach Zürich und nach der Übernahme durch Apple im November 2015 weiter nach Kalifornien.
Der Erfolg von Faceshift in den USA dürfte den Weg ebnen für weitere Schweizer Start-ups in der Game-Industrie, zum Beispiel für Somniacs und seinen Flugsimulator Birdly. Der an der Zürcher Hochschule der Künste entwickelte virtuelle Vogel bietet ein vollkommenes Immersionserlebnis. Die Schweizer Technologie, deren Ziel es ist, die Grenzen der virtuellen Realität im Content- und Videospielbereich weiter auszuloten, ist neu im Besitz des renommierten Institute for Creative Technologies der University of Southern California, wo Palmer Luckey, der Erfinder der VR-Brille Oculus Rift, studiert hat. Im Juli 2014 war Birdly für eine erste Demonstration an der Swissnex in San Francisco zu Gast. Der Vogelflugsimulator sorgte für grosses Aufsehen und hat den Schritt von einem experimentellen Projekt zu einem Vorhaben mit kommerziellem Potenzial gemacht.
Schweizer mischen vorne mit
Zwei weitere Schweizer Start-ups, die sich aufgemacht haben, mit Unterstützung von Swissnex und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia die USA zu erobern, stossen bei der Game-Industrie auf grosses Interesse. Das Genfer Start-up Apelab war eine der Attraktionen an der New-Frontier-Ausstellung am letzten Sundance Film Festival. Apelab präsentierte dort sein Projekt «Sequenced», ein interaktives Virtual-Reality-Game, bei dem der Verlauf der Geschichte durch das Blickverhalten des Spielers oder der Spielerin in Oculus oder einer anderen VR-Brille bestimmt wird. Das Start-up steht kurz vor der Übersiedlung nach Los Angeles.
Das Genfer Studio Artanim wiederum hat eine VR-Plattform entwickelt, die es mehreren Benutzenden erlaubt, sich frei (ohne Kabel) in einer virtuellen Umgebung zu bewegen und somit den eigenen Körper mit physischen und virtuellen Objekten interagieren zu sehen. Im Jahr 2015 gehörte Artanim zu den drei Finalisten des «Immersive Realities Contest» an der Konferenz für Computergrafik Siggraph in Los Angeles. Mittlerweile entwickelt das Start-up kommerzielle Anwendungen ihrer Technologie. Zu den erfolgreichen Playern in diesem Bereich gehört auch das Genfer Studio Kenzan, dessen VR-Produktionen ebenfalls beim Siggraph-Wettbewerb preisgekrönt wurden.
MindMaze setzt international Massstäbe
Die Schweiz mischt nicht nur im Game-Bereich mit. Seit einigen Jahren setzt sie auch bei der VR-Technologie im Gesundheitswesen Massstäbe. Das Start-up MindMaze mit Sitz in Lausanne hat ein System zur beschleunigten motorischen Rehabilitation nach einer Hirnverletzung oder einem Hirnschlag entwickelt. Die von einem Neurowissenschaftler der ETH Lausanne entwickelte Technologie gilt seit 2011 als internationale Referenz. Virtual Reality hat sich bei der Behandlung von Phobien und in der Psychologie bereits einen Namen gemacht. Der Wert des Start-up MindMaze wird heute auf eine Milliarde Dollar geschätzt.
Das Jahr 2016 wartet mit vielen Virtual-Reality-Neuheiten auf. Ob dabei weitere Schweizer Start-ups und Studios auftrumpfen können? Angesichts der ersten Erfolge im internationalen Markt scheint ihre Zukunft vielversprechend. Eines steht fest: Mit Schweizer Innovation ist in der Virtual-Reality-Industrie zu rechnen.