Weltraumforschung: die Schlüsselrolle der Schweiz
Das Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique (CSEM) stellt hochpräzise wissenschaftliche Instrumente für Satelliten und Teleskope her und ist dadurch zu einem wichtigen Akteur in der Weltraumforschung geworden.
Das CSEM geniesst weltweite Anerkennung als Forschungs- und Entwicklungszentrum in den Bereichen Mikro- und Präzisionsfertigung, Digitalisierung und erneuerbare Energien. Das innovative Unternehmen spielt seit seiner Gründung im Jahr 1984 eine aktive Rolle bei der Beobachtung und Erforschung des Weltraums und der Erde. Das Hightech-Knowhow des CSEM kommt auch der Schweizer Wirtschaft zugute: An den Raumfahrtprojekten sind regelmässig auch KMU beteiligt, wodurch sich zahlreiche Chancen für den Technologietransfer ergeben.
Die Top-Projekte im Überblick:
Hipparcos-Satellit – 3D-Kartierung der Sterne
Im zweiten Jahrhundert vor Christus schuf der griechische Astronom Hipparchos den ersten Katalog bekannter Sterne, der fast tausend Astralkörper auflistete. Mehr als 2000 Jahre später übernahm die Mission Hipparcos (kurz für «High precision parallax collecting satellite») diese Aufgabe. Der von der Europäischen Weltraumorganisation ESA lancierte Satellit konnte in einer ersten Phase mehr als 100’000 Sterne präzise kartieren. In einem zweiten Katalog wurden dann rund zwei Millionen Sterne kartiert. Hipparcos trug auch zu einer genaueren Datierung des Alters unseres Universums bei.
Während Hipparchos für seine Beobachtungen ein Astrolabium verwendete, wurde der Hipparcos-Satellit mit einem Schmidt-Teleskop ausgestattet, für das das CSEM ein Modulationsgitter entwickelte, durch welches das vom Teleskop erfasste Licht auf Sensoren projiziert wurde. Das 1989 lancierte Projekt war eines der ersten Projekte des CSEM im Bereich der Weltraumforschung.
Rosetta und Philae – Landung auf einem Kometen
Als dieses Projekt Ende des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal vorgestellt wurde, war das Ziel kühn und die technologischen Anforderungen mehr als anspruchsvoll. Nach einer zehnjährigen Reise im Weltraum traf die Raumsonde Rosetta im Jahr 2014 auf den Kometen Tschuri und trat in dessen Orbit ein. Ihr Landegerät, Philae, wurde dann auf seine Oberfläche abgelassen, um Fotos zu machen und andere Informationen über die Beschaffenheit des Kometeneises und der organischen Kruste zu sammeln. Die Mission endete im Jahr 2016 mit Rosettas Landung auf Tschuri, um Philae wieder aufzunehmen und für immer auf dem Kometen zu bleiben.
Das CSEM war an der Entwicklung von sieben winzigen, stromsparenden und robusten hochauflösenden Kameras beteiligt. Damit konnte der Lander Philae die ersten Bilder von der Oberfläche eines Kometen übermitteln.
ENVISAT – Check-up der Erde
Die Veränderungen in der Ozonschicht, das Abschmelzen der arktischen Eiskappe oder der kleiner werdende Aralsee: Dies sind nur einige Beispiele für die Phänomene, die der Satellit ENVISAT zwischen 2002 und 2012 kontinuierlich beobachtet hat. Diese Informationen haben wichtige Erkenntnisse über den Klimawandel und die Überwachung der Luftverschmutzung ermöglicht.
Zu den an Bord befindlichen Instrumenten gehörte MERIS, ein Bildspektrometer mit mittelspektraler Auflösung zur Erfassung ozeanographischer Parameter. Das CSEM steuerte seinen Kalibrierungsmechanismus bei. Das Instrument lieferte zudem beeindruckende Bilder des Hurrikans Katrina im Jahr 2005 sowie vom Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjöll im Jahr 2010.
RemoveDEBRIS – Weltraumschrott sammeln
Der stetig wachsende Einsatz von Satelliten für meteorologische und Kommunikationszwecke hat zu einer Fülle von Weltraumschrott geführt. Im Rahmen des europäischen FP7-Projekts RemoveDEBRIS wurde erfolgreich ein Satellit ins All geschickt, um verschiedene Technologien zu testen, mit denen Trümmerteile aus dem Orbit entfernt werden sollen, die andernfalls mit funktionierenden Satelliten kollidieren könnten. Das ClearSpace-Projekt unter der Leitung des gleichnamigen Schweizer Start-ups ist eine logische Fortsetzung dieser Initiative.
Das CSEM hat aus einem LiDAR-3D-Bildgebungssystem (LiDAR für «Light Detection and Ranging») und einer 2D-Farbkamera einen sichtbasierten Navigationssensor entwickelt, der präzise Aufnahmen des unter schwierigen Lichtverhältnissen zu «erfassenden» Objekts ermöglicht. In Zukunft könnte diese Technologie für Missionen eingesetzt werden, bei denen auf dem Mars, dem Mond oder auf einem Asteroiden gelandet wird. So könnte eine Vielzahl von Raumfahrzeugen sicher und genauer auf einer Oberfläche landen, als dies heute möglich ist. Diese Komponenten werden in den beiden oben erwähnten Projekten verwendet.
MTG 2023 – Atmosphäre im Fokus
Die gemeinsam von EUMETSAT und der ESA geleitete Mission wird aus drei Satellitenpaaren bestehen – vier MTG-I-Bild- und zwei MTG-S-Sondierungssatelliten – die in die geostationäre Umlaufbahn 36’600 km über dem Äquator gesetzt werden. Zusammen sollen sie die Datenqualität und -genauigkeit verbessern und sehr kurzfristige Wettervorhersagen, einschliesslich Unwetterwarnungen, ermöglichen. Weitere Einsatzgebiete sind die Überwachung des Klimas und kleiner Partikel in der Atmosphäre, wie beispielsweise Vulkanasche und Luftschadstoffe.
In dieser neuen MTG-Satellitenflotte wird die Infrarotsonde eine wichtige Rolle spielen. Sie misst die Wasserdampf- und Temperaturstruktur der Atmosphäre, die beide für ein tieferes Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels unerlässlich sind. Das CSEM hat – in Zusammenarbeit mit Thales Alenia – einen «Eckwürfel»-Mechanismus für dieses Instrument entwickelt. Dies ermöglicht eine konstante Sondierung des IR-Spektrums, dessen Eigenschaften die Berechnung der Wasserdampfmenge und der Temperatur erlauben.
PULSAR – Roboter auf Montage im Weltraum
Weltraumteleskope liefern uns ganz neue Informationen über das Universum. Das berühmte Hubble-Teleskop hat der Astronomie zu unglaublichen Fortschritten verholfen. Dasselbe wird von dessen Nachfolger erwartet, dem James-Webb-Weltraumteleskop, das am 25. Dezember 2021 startete und am 24. Januar 2022 sein Ziel in rund 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde erreicht hat. Damit wir noch mehr Erkenntnisse über den Kosmos gewinnen können, müssen die Teleskope der nächsten Generation sehr viel grösser sein. Die Lösung besteht darin, die Teleskope in ihren Einzelteilen ins All zu schicken und sie im Orbit von autonomen Robotern zusammensetzen zu lassen.
Als einer von acht Projektpartnern konzentriert sich das CSEM auf die Entwicklung einer Schlüsselkomponente – die Kacheln, welche die Spiegel tragen. Zwei der sechs vom CSEM entwickelten Module sind mit speziellen, justierbaren Halterungen für das Spiegelelement ausgerüstet. Damit kann dessen Position mit einer Genauigkeit in der Grössenordnung eines Mikrometers ausgerichtet werden. Die Software für die Steuerung und Kalibrierung des Systems wurde ebenfalls von CSEM-Ingenieuren entwickelt.
Nun sind alle Augen auf das James-Webb-Weltraumteleskop gerichtet.