Zürich wird zum globalen Metaversum-Hub
Die Schweiz spielt eine zentrale Rolle beim Aufbau der nächsten Dimension des Internets: dem Metaversum. Dank der Strahlkraft der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) haben die Unternehmen Microsoft, Facebook, Google, Disney Research und Magic Leap alle Büros oder Forschungslabors in der Wirtschaftsmetropole der Schweiz eröffnet.
Weshalb in überlaufenen Geschäften einkaufen gehen, in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln sitzen oder verzweifelt nach einem Parkplatz suchen? Bald wird man nur noch eine Brille aufsetzen müssen, um seinen Avatar und die Avatare seiner Freunde durch die Einkaufsstrassen schlendern zu sehen. Es wird möglich sein, ein Geschäft zu betreten und eine virtuelle Hose anzuprobieren, die man dann kauft, um sein virtuelles «Ich» zu verschönern, oder die man sich nach Hause liefern lässt.
Dieses Science-Fiction-Szenario könnte schon bald keine Fiktion mehr sein. Alle Technologieriesen investieren riesige Summen in das sogenannte Metaversum, die digitale Parallelwelt zur realen Welt, die über das Internet zugänglich ist.
Internationale Reputation
Die Schweiz steht bei diesen Innovationen an der Spitze und ist in diesem aufstrebenden Sektor weltweit führend. Microsoft, Facebook, Google, Disney Research und Magic Leap haben alle Büros oder Forschungslabors in Zürich eröffnet. «Zürich ist zu einem weltweiten Hub geworden», freut sich Marc Pollefeys, Direktor des Mixed Reality & AI Zurich Lab.
«Die Tech-Giganten ziehen viele der besten Köpfe der ETH Zürich,und der ETH Lausanne (ETHL) an», bestätigt Ronan Boulic, Lehr- und Forschungsbeauftragter an der ETHL und Spezialist für virtuelle Realität. «Das Center for Imaging der ETHL, das Kooperationen zwischen verschiedenen Labors fördert, hat sich ebenfalls einen internationalen Ruf erworben.»
Schaffung von Arbeitsplätzen
Meta (ehemals Facebook) plant, in Zürich 150 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzustellen, die diese immersiven Welten mitgestalten sollen. Ein beträchtlicher Teil des 4000 Personen starken Teams von Google in Zürich beschäftigt sich ebenfalls mit dem Metaversum. Und der Augmented-Reality-Spezialist Magic Leap baut sein Forschungs- und Entwicklungsteam an diesem Standort weiter aus. Im Innovationspark der ETHL hingegen ist das Unternehmen nicht mehr präsent.
Disney Research Zurich (DRZ) ist eines von zwei Forschungslabors der Walt Disney Company und das einzige, das eng mit einer europäischen Hochschule verbunden ist. Einer der Schwerpunkte von DRZ ist die Modellierung von menschlichen Gesichtern. Dafür hat Disney Research insbesondere einen Gesichtsscanner entwickelt, der die mimischen Feinheiten des menschlichen Gesichts scannen kann, um damit digitale Avatare zu schaffen. Ausserdem kündigte DRZ die Entwicklung einer Virtual-Reality-Anwendung an, die eine Reihe von körperlichen Empfindungen wie das Spüren von Regen auf der Haut in einer virtuellen Umgebung repliziert.
Augmented Reality
Microsoft wiederum hat das Mixed Reality & AI Zurich Lab gegründet, ein Labor mit 25 Mitarbeitenden, das Grundlagenforschung und angewandte Forschung im Bereich Visual Computing für Virtual Reality und Augmented Reality betreibt.
Professor Marc Pollefeys ist Leiter des Labors und weiterhin in Forschung und Lehre an der ETH Zürich tätig. Er untersucht insbesondere die verschiedenen Anwendungen des Augmented-Reality-Headsets HoloLens von Microsoft und arbeitet an der Verbesserung der Fähigkeit des Geräts, die Umgebung in 3D zu kartieren und Objekte darin zu erkennen.
«Wir synchronisieren virtuelle Objekte und digitale Informationen mit der realen Welt. Im Moment sind die Anwendungen hauptsächlich für die Industrie und die Arbeitswelt bestimmt», erklärt er. So könnte ein Servicetechniker eine Maschine ohne Wartungsanleitung warten, indem ihm die einzelnen Arbeitsschritte auf seinem Mixed-Reality-Headset angezeigt werden und er Fachpersonen beiziehen kann. «Ein Teil unseres Teams arbeitet auch an der Telepräsenz via Avatare.»
Schweizer Know-how
«Metaversum» ist das Schlagwort der Stunde. Dabei entwickeln zahlreiche Unternehmen und Forschende seit mehreren Jahren Plattformen, die es ermöglichen werden, virtuelle Welten aufzubauen, in denen man einander virtuell begegnet. «Die virtuelle Realität ist ein Teil davon, sobald sie es ermöglicht, mehrere Personen in einer virtuellen Welt miteinander zu verbinden», sagt Marc Pollefeys.
Einige Schweizer Unternehmen entwickeln Technologien, mit denen die Hardwarekomponenten verbessert werden können, um solche Brillen künftig zu verkleinern oder benutzerfreundlicher zu gestalten. Andere beteiligen sich am Aufbau der verschiedenen Plattformen, die – ohne sich bewegen zu müssen – soziale Kontakte versprechen, egal ob es darum geht, ein Arbeitstreffen zu organisieren, an einem Kurs teilzunehmen oder durch ein Geschäft zu schlendern.
Schweizer Start-ups haben im Bereich der virtuellen Realität ein gewisses Know-how entwickelt. Beispiele sind Dacuda, das eine seiner Geschäftssparten an die US-Firma Magic Leap verkauft hat, oder MindMaze, eines der wenigen Schweizer Start-ups mit Einhorn-Status. Firmengründer Tej Tadi arbeitete übrigens am Labor für kognitive Neurowissenschaften des Campus Biotech der EPFL, ebenso wie die beiden Leiter von von Imverse, einem Start-up-Unternehmen, das in der Lage ist, aus normalen, zweidimensionalen Fotos 3D-Umgebungen zu machen.
Article initialement publié dans le journal Bilan, Ghislaine Bloch, 10.01.2022.