Klangwelt Schweiz - Glockengeläut weckt Bilder vom Landleben in der Schweiz.
Sie haben es sicher schon gehört, auf einer Weide, in den Bergen oder auf einem Bauernhof. Wenn keine Kirche in der Nähe ist, weist das Bimmeln in der Schweiz auf Kühe hin. «Der Klang einer Kuhglocke ist der kleine Bruder des Klangs einer Kirchenglocke», erzählt Sylviane Messerli. Sie und Hélène Tobler, Fotografin und Leiterin des Forschungs- und Dokumentationszentrums des Berner Juras, haben gemeinsam das Buch «Des cloches et des hommes» (Anm. d. Ü. nur auf Französisch erhältlich, freie Übersetzung «Von Glocken und Menschen») herausgegeben.
Darin erzählen sie, dass auch Menschen Glocken getragen haben. «Glocken symbolisierten Macht, wenn sie von Herrschern getragen wurden, und das Sakrale, wenn sie Zeremoniegewänder schmückten. Leprakranke mussten sie auf sich tragen, um auf ihre Krankheit aufmerksam zu machen. In der Schweiz finden wir heute zwei Arten von Glocken: «Gegossene Glocken aus Bronze und geschmiedete Glocken aus Stahlblech», erklärt Sylviane Messerli.
Teil der Tradition
Glocken stehen für Swissness und sind Teil unserer Folklore. Ein Symbol der Schweiz, im In- und Ausland, an traditionellen und offiziellen Anlässen. «Sie werden freudig geschwenkt, um Athleten anzuspornen oder die letzte Runde bei Sportveranstaltungen einzuläuten», schreibt Sylviane Messerli in ihrem Buch. Wir erfahren darin auch, dass eine Giesserei im Kanton Neuenburg Glocken für die Olympischen Spiele herstellt. Die Glockengiesserei Blondeau in La Chaux-de-Fonds liefert seit den Olympischen Spielen in Moskau im Jahr 1980 Glocken für diesen Grossanlass.
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden rund 200 handwerkliche Giesser, die Glocken aus Bronze giessen, namentlich registriert. Ihr Handwerk findet sich in allen vier Sprachregionen der Schweiz. Gewisse Formen tragen auch heute noch religiöse Motive, Gebete, Tiere, Blumen oder andere Bilder. Gemäss Sylviane Messerli stehen diese Motive für Glaubensbekenntnisse, Hoffnungen, aber auch Ängste. «Mit den religiösen Motiven auf den Glocken seiner Herde stellt der Bauer sein Vieh unter den Schutz seines Glaubens, so als ob jede Glocke ein Gebet darstellen würde. Es ist auch eine Form, das Böse abzuwenden.»
Kuhglocken
Geschmiedete Glocken, auch Schellen genannt, werden aus Stahlblech hergestellt, das im Feuer erhitzt und danach mit dem Hammer in die gewünschte Form getrieben wird. Die Glocken werden mit handbestickten Lederriemen ausgestattet, damit sie um den Hals der Tiere gelegt werden können. Der Preis für eine handwerklich hergestellte Glocke liegt zwischen 850 und 900 Franken.
Die ersten Kuhglocken gehen auf den Beginn der Viehzucht zurück. «Kühen, Ziegen, Schafen, Pferden und sogar Elefanten wurden Glocken umgehängt, als Zeichen der Domestizierung», erklärt Sylviane Messerli. «Sie helfen dem Hirten, seine Herde im Nebel, in der Nacht oder auf weitläufigen hügeligen Weidegebieten wiederzufinden. Während ein plötzliches Geläut auf eine Gefahr hinweist, beruhigt das regelmässige Bimmeln die Herde.» Erhält eine Kuh einmal eine Glocke, trägt sie diese ihr Leben lang, ausser wenn sie den Besitzer wechselt.
Die Geschichte von François Giovanola
François Giovanola ist ein «Schmiedekünstler, ein Glockenhersteller». Im Kanton Wallis werden die geschmiedeten Kuhglocken «sonnette» genannt. Er startete seine berufliche Laufbahn mit einer Schlosserlehre, das Glockenhandwerk hatte er von seinen Onkeln gelernt. «Am Anfang signierten meine Onkel ihre Schellen nicht, wegen ihres italienischen Familiennamens, der nicht angesehen war. Sie hatten Angst, sie könnten sie nicht verkaufen. In der Gemeinde Bagnes, im gleichen Tal, besass die Familie Besse einen sehr guten Ruf für ihre Schellen.» Seit vierzig Jahren ist sie in diesen Kreisen bestens bekannt, namentlich wegen der Eringerrasse. «Ich habe alle Orte in der Schweiz und sogar im benachbarten Aostatal besucht, in denen es Eringerkühe gibt», erzählt François Giovanola.
«Es braucht einen ganzen Tag und 14–15 Vorgänge, um eine Schelle herzustellen. Vom unbearbeiteten Stahlblech bis zum fertigen Produkt. Jeder Schritt erfordert absolute Präzision», erklärt der Handwerker aus Bagnes. Er kann unmöglich sagen, wie viele Modelle er in den letzten vierzig Jahren geschmiedet hat. Aber er kann sie alle mit dem Auge und übers Ohr erkennen. «Wenn ich eine meiner Schellen sehe, erkenne ich sie sofort an ihrer Form und an ihrem Klang. Ich achte immer darauf, dass der Ton für das Ohr rein und angenehm klingt. Er muss singen und darf nicht scheppern. Der 73-jährige François Giovanola stellt in seiner Werkstatt in Sembrancher auch heute noch Glocken her. Denn das ist sein Beruf und seine Leidenschaft, aber er hat uns auch verraten, dass er sich dank dieser Tätigkeit fit hält.