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Schweizer Käse reift mit Musik

Wenn Schweizer ins Ausland reisen, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass in einem Gespräch in den ersten fünf Minuten Käse erwähnt wird – oder Schokolade oder Berge. Zugegeben: Käse ist ein fester Bestandteil der Schweizer Kultur. Emmentaler, Appenzeller, Greyerzer, Sbrinz, Tête de Moine oder Vacherin - Hunderte von Käsesorten widerspiegeln ein Jahrhunderte altes Know-how. Neben der tief verwurzelten Tradition gibt es jedoch auch Innovation und Kreativität. So entstehen nicht nur immer wieder neue Sorten, sondern auch neue Produktionsmethoden. Ein Beweis dafür ist diese ernsthafte und zugleich überraschende Initiative: der Einsatz von Musik während des Reifeprozesses. Zwischen (Al-)Chemie und Magie stellt sich die Frage: Ergibt Rockmusik den besseren Geschmack als eine Opernarie?

London, New York, Burgdorf: Ist die friedliche Berner Stadt auf dem Weg zur Musikhauptstadt? Es gibt hier allerdings keine Underground-Keller, hochmodernen Aufnahmestudios oder repräsentativen Konzertsäle. Neben einigen Lokalen, die dem Jodeln oder Saiteninstrumenten wie dem Hexenscheit gewidmet sind, gibt es in Burgdorf jedoch das Käsehaus K3, ein authentisches Labor, das sich dem Austausch zwischen Käse.... und Kultur widmet. 

Das Emmental ist bekannt für seinen gleichnamigen Hartkäse aus Rohmilch. Er heisst hier Muttenglück – eine Sorte, die an ihren zahlreichen Löchern sofort erkennbar ist – und wird erwiesenermassen bereits seit dem 13. Jahrhundert hergestellt. In einer der 200 Käsereien, die den König der Käse herstellen dürfen, lebt der Mann, der Burgdorf auf die Weltkarte der musikalischen und kulinarischen Innovationen verholfen hat. Beat Wampfler, von Haus aus Tierarzt, stellt «aus Leidenschaft» Emmentaler Käse auf einem Bauernhof aus dem Jahr 1853 her. Eine Produktion in mehreren Schritten, die wir genauer anschauen wollen.

Käse

Käseherstellung, ein unveränderlicher Prozess

Laut www.schweizerkaese.ch, der Bibel der Schweizer Käsesorten, «hat sich die Herstellung im Laufe der Jahrtausende grundsätzlich nicht verändert, auch wenn heute dank moderner Technologie viel Handarbeit wegfällt». Die Käseherstellung umfasst folgende fünf Schritte: Gerinnen, das darin besteht, die Milch durch Filtern, Erwärmen und Rühren zu koagulieren, bevor ihr ein Enzym (Lab) zugesetzt wird; Schneiden der gallertartigen Masse mit einem Rührinstrument (Vorkäsen); Erwärmen (bis maximal 57°C), Auspressen der Molke und Salzbad; Gären, das für die Bildung der Löcher im Teig verantwortlich ist. Die Löcher entstehen durch Kohlensäuregas, das vom Abbau des Milchzuckers herrührt. Da dieses Gas nicht entweichen kann, bildet es Blasen, die schliesslich die Löcher im Käseteig formen. Und letztlich die Reifung, bei der der Käse durch Eiweissabbau seinen sortentypischen Geschmack erhält.

Copyright : Hochschule der Künste Bern HKB
Copyright : Hochschule der Künste Bern HKB

Der entscheidende Schritt im Transformationsprozess

Die Reifung ist nicht nur der wichtigste Schritt bei der Herstellung von Käse, sondern auch der eindrucksvollste. Die nebeneinander gelagerten Käselaibe werden sorgfältig wie ein Neugeborenes gepflegt (Käse gilt als lebender Organismus). In dieser Phase entstehen die zahlreichen Variationen bezüglich Aroma und Textur. Und es lassen sich auch einige clevere Experimente ausprobieren. Zum Beispiel, indem man auf die Reifezeit achtet, die je nach Sorte stark variieren kann (von einigen Tagen für den Tomme bis zu mehreren Jahren für den Sbrinz), oder auf die Luftfeuchtigkeit, die verwendeten Nährstoffe, die Temperatur (einige Käse wie der St.Paulin werden nach dem Salzen sofort in einen Kühlraum gestellt) und neuerdings auch auf die Beschallung! 

Die Sonochemie des Käses

Vergessen Sie die beschauliche Atmosphäre der Berner Landschaft, das Gebimmel von Kuhglocken und das Zwitschern von Vögeln. Beat Wampfler lässt seinem Emmentaler Käse eine ganz besondere Behandlung angedeihen. «Der Mensch, aber auch Kühe und Pflanzen reagieren auf Musik. Warum also sollte das bei Bakterien anders sein?», fragte sich der experimentierfreudige Käser. Im Jahr 2018 wurde aus dem Experiment ein Gemeinschaftsprojekt der Hochschule der Künste Bern und der Firma Käsehaus K3 mit dem Titel «Käse beschallen – Experiment zwischen Klang und Kulinarik».

Die Käselaibe werden in Holzkisten gelagert und mit unterschiedlichen Tönen beschallt.
Die Käselaibe werden in Holzkisten gelagert und mit unterschiedlichen Tönen beschallt. Copyright : Hochschule der Künste Bern HKB

Vier Studierende des Studiengangs Sound Arts entwarfen spezielle Holzkisten. Ihre Mission: über einen kleinen Lautsprecher wird jeder Käselaib mit unterschiedlichen Musikstücken beschallt, vom urbanen Hip-Hop über Mozarts Zauberflöte bis hin zu Led Zeppelin. Dieser Prozess ähnelt der Sonochemie, einem Bereich, der sich mit dem Einfluss von Schallwellen und der Wirkung von Resonanzen auf Festkörper beschäftigt.

Am 14. März 2019, nach mehrmonatiger Reifezeit und kontinuierlicher Musikbeschallung, wird eine Expertenjury die schwierige Aufgabe haben, jeden Käse zu verkosten, Geschmacksunterschiede zu erkennen und zu entscheiden, ob diese wundersame Beschallung des Muttenglück funktioniert hat oder nicht. Wenn ja, könnte die Erfahrung ungeahnte Möglichkeiten im landwirtschaftlichen und kulinarischen Bereich eröffnen. Die kommerzielle Produktion eines musikalischen Käses könnte in Betracht gezogen werden. Das Experiment wird im Rahmen des Projekts der Berner Fachhochschule «HKB geht an Land in Burgdorf», das den kulturellen Austausch zwischen Stadt und Land und gegenseitiges Kennenlernen fördern will, durchgeführt.