Fussballfeld

Vier Schweizer Trainer begeistern die Fussballwelt

Mit Lucien Favre, Urs Fischer und Martin Schmidt mischen derzeit drei Schweizer Trainer in der Bundesliga mit, und beim Kosovo, einer der Entdeckungen der EM-2020-Qualifikation, steht Bernard Challandes als Nationalcoach im Einsatz. Schweizer Touch ist im Fussball gefragt!

In dieser Saison sind drei Schweizer Trainer in der deutschen Bundesliga, einer der besten Ligen der Welt, tätig. Das ist beispiellos. Mit dem Waadtländer Lucien Favre, einem der renommiertesten Trainer im heutigen Fussball, will Borussia Dortmund den Ligadominator und Rekordmeister Bayern München endlich entthronen. Unter der Leitung des Zürchers Urs Fischer ist der Berliner Arbeiterverein Union Berlin erstmals in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Augsburg wiederum setzt auf den Oberwalliser Martin Schmidt. Und diese drei sind nicht die einzigen Schweizer Trainer, die im Ausland glänzen. Der Kosovo, die Entdeckung der Vorrunde der Europameisterschaft 2020, könnte sich erstmals für die Teilnahme an einem internationalen Grossanlass qualifizieren, was in dem kleinen Land mit zwei Millionen Einwohnern eine unbeschreibliche Euphorie ausgelöst hat. Hinter diesem «Wunder» steckt der Neuenburger Bernard Challandes, der mit 68 Jahren so fussballversessen ist wie eh und je. «Die Tatsache, dass Schweizer Trainer – ebenso wie Spieler – ins Ausland abgeworben werden, ist für das Image des Schweizer Fussballs natürlich ideal», sagt Yves Debonnaire, Trainer beim Schweizerischen Fussballverband (SFV). Dieser Meinung ist auch Michel Pont, ehemaliger Assistenztrainer der Nationalmannschaft. «Das sind grossartige Botschafter, die unserem Fussball Glaubwürdigkeit verleihen und beweisen, dass wir hier gute Arbeit leisten.»

Lucien Favre © Wikimedia Commons

Lucien Favre, der Perfektionist

«Lucien Favre gilt heute als einer der zehn besten Trainer der Welt» fügt Michel Pont an. Mit ihm wies Borussia Dortmund in der letzten Saison zu Weihnachten einen Vorsprung von neun Punkten auf den FC Bayern München auf und wurde schliesslich knapp hinter diesem Vizemeister. In dieser Saison will der Verein aus dem Ruhrpott endlich den Titel holen. Der bescheidene «Lulu», wie er in der Schweiz genannt wird, hat diese Ansage selbst gemacht, was ungewöhnlich ist für ihn. «Wir wollen um den Titel kämpfen.» Davon träumen die 80 000 Fans im Westfalenstadion, das berühmt ist für seine «gelbe Wand».

Lucien Favre hat schon früher spektakuläre Erfolge im Ausland erzielt. Er führte Borussia Mönchengladbach von einem Relegationsplatz in die Champions League. Nach seiner Ankunft in Frankreich hatte der bescheidene OGC Nizza lange die Führung der französischen Erstliga vor PSG inne und landete schliesslich auf dem dritten Tabellenplatz. Der akribische Workaholic Favre ist bekannt für seinen taktisch geprägten und spielerisch attraktiven Fussball. «Er ist ein Perfektionist, der Tag und Nacht arbeitet und ebenso offensiv wie effizient spielen lässt», sagte Fussball-Legende Ottmar Hitzfeld kürzlich. Yves Debonnaire macht wie viele andere kein Hehl aus seiner Bewunderung für seinen Freund Lulu. «Analytisch stark, aussergewöhnlich kompetent, er weiss, wie man das Beste aus jedem Spieler herausholt, das ist wirklich oberste Klasse. Ihm fehlt bloss noch ein grosser internationaler Titel.» Michel Pont ergänzt: «Lucien hat immer an seinen Überzeugungen und seiner Philosophie festgehalten. Ich denke, er wird eines Tages ein Spitzenteam wie Manchester United oder Barcelona trainieren, er hätte es verdient.»

Urs Fischer, der Nüchterne

Im Gegensatz zum hipperen Herta Berlin ist Union Berlin im vormals ostdeutschen Stadtteil Köpenick der Arbeiterverein mit einer treuen Fanbasis. Rund 2000 von ihnen hatten 2008 bei der Renovation des Stadions eigenhändig mit angepackt, weil der Verein knapp bei Kasse war. Ein Verein mit nach wie vor bescheidenen Mitteln, mit dem Urs Fischer bei seiner ersten Auslandverpflichtung als Trainer den Bundesliga-Aufstieg geschafft hat. Obwohl die Mannschaft aktuell am Tabellenende dümpelt, setzte sie sich am 31. August 2019 in ihrem kleinen Stadion mit seinen 22 000 ganz in der Vereinsfarbe rot gehaltenen Sitzen in einem rein schweizerischen Trainer-Duell gegen das grosse Borussia Dortmund von Lucien Favre durch. Bodenständig, ehrlich und direkt: Urs Fischer hat die gleichen Werte wie sein Klub. «Wir reden viel mit ihm, manchmal wie unter Kollegen», offenbarte Torhüter Rafael Gikiewicz kürzlich. «Urs hat eine sehr gute Beziehung zu den Spielern», bestätigt Yves Debonnaire. Und Michel Pont freut sich, «dass ein so bescheidener Typ ohne Allüren in Deutschland erfolgreich ist.»

Martin Schmidt, der Engagierte

Auch der Oberwalliser Martin Schmidt ist trotz allem Glanz und Pomp der Bundesliga seit seinem Antritt bei Augsburg derselbe geblieben, und darin liegt seine Stärke. Sein Grossvater hütete Kühe im Goms, und er selbst ist weiterhin sehr verbunden mit seiner Heimat, die ihm am Herzen liegt und von der er oft spricht. Als Vorbereitung nahm er seine Spieler für ein fünftägiges Trekking mit auf die Belalp, in der Nähe des Aletschgletschers, unter spartanischen Bedingungen, ohne Dusche und Telefon. «Einige Spieler litten unter Krämpfen, sie stiessen an ihre körperlichen Grenzen, aber es hat den Zusammenhalt gestärkt», sagt er. «Martin ist ein echter Oberwalliser, ein Kämpfer, der sich nie geschlagen gibt», stellt Michel Pont fest. «Mit einem totalen Engagement» fügt Yves Debonnaire hinzu. Ressourcenmässig kann Augsburg nicht mit den Leadern der Bundesliga mithalten und setzt deshalb auf seine mentale Stärke: Dies gab den Ausschlag für den Entscheid der Clubleitung. «Martin Schmidts Mannschaften spielen den Fussball, den wir hier gerne sehen, athletisch und leidenschaftlich», sagte Stefan Reuter, technischer Direktor des Vereins, kürzlich. Augsburg ist nach Mainz und Wolfsburg die dritte Station des Oberwallisers in der Bundesliga.

Martin Schmidt © Wikimedia Commons
Martin Schmidt © Wikimedia Commons

Bernard Challandes, der Leidenschaftliche

Andere Nation, anderes Schicksal. Man könnte meinen, dass der Neuenburger Bernard Challandes, 68, in seiner Karriere schon alles gesehen hat. Schweizermeister mit dem FC Zürich, erfolgreich mit der Schweizer Junioren-Nationalelf, stets mit seiner überschäumenden, extrovertierten, leidenschaftlichen Art. Aber was er im Kosovo erlebt, seit er dort das Nationalteam trainiert, übersteigt alles, was er auf der emotionalen Ebene bisher erlebt hat. Nachdem sie Bulgarien und Tschechien besiegt hat und England zittern liess, hat die Mannschaft aus diesem kleinen Land, das erst 2008 von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wurde, gute Chancen, sich für die EM 2020 zu qualifizieren, was eine grosse Premiere wäre. Der Kosovo überrascht die Fussballwelt. Und Challandes ist dort bereits heute ein Nationalheld. «Challandes ist der Mann hinter diesem aussergewöhnlichen Exploit», schrieb die führende kosovarische Tageszeitung Koha Ditore vor Kurzem.

Grossmütter danken mir dafür, was ich für ihr Land tue. Ich hatte nicht erwartet, dass diese Qualifikation die Bevölkerung derart emotional berührt. Der Kosovo ist eine sehr junge Nation, die nach Anerkennung dürstet. 

- Bernard Challandes

Bernard Challandes © Wikimedia Commons
Bernard Challandes © Wikimedia Commons

 

Die Nationalspieler stammen aus der Diaspora, spielen in 14 verschiedenen Ligen und bilden ein junges Team, das alles wagt. «Die Mannschaft hat offensive Qualitäten, also greift sie an, mitunter etwas unkoordiniert, aber sie greift an.» Yves Debonnaire ist begeistert. «Challandes und der Kosovo: Das ist eine Liebesheirat.» Und Michel Pont doppelt nach: «Bernard kennt kein Alter, nur Leidenschaft.»

Die Schweiz darf stolz sein. Die vier Trainer sind ebenso zielstrebige wie bescheidene Imageträger für sie.