Im September 2018 präsentierte das Waadtländer Unternehmen GreenGT seinen vierten Sportwagen, den H2 Speed, der in Zusammenarbeit mit Pininfarina entwickelt wurde. Der Rennwagen mit Wasserstoffantrieb ist ausschliesslich für den Rundstreckeneinsatz bestimmt © GreenGT 

Dem Wasserstoff gehört die Zukunft der Mobilität in der Schweiz

Fahrzeuge, die nur Wasserdampf ausstossen? Wasserstoff macht es möglich. Seit über zehn Jahren fungiert die Schweiz als Freiluftlabor zur Erforschung dieser vielversprechenden erneuerbaren Energie. Mehrere Grossprojekte, die von den Eidgenössischen Technischen Hochschulen, Akteuren des Vertriebssektors und Start-ups durchgeführt werden, befinden sich auf der Zielgeraden. Sie positionieren das Land an der Spitze einer grünen Revolution.

Es ist einer der vielversprechendsten Lösungsansätze im Kampf gegen die globale Erwärmung. Angesichts der Notwendigkeit, von fossilen Energieträgern wegzukommen (sog. Dekarbonisierung), heisst das aktuelle Zauberwort in der Energiewelt heute «grüner Wasserstoff»: Damit wird Wasserstoff bezeichnet, der ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen stammt. Nach nahezu zehnjähriger Forschung und vorangetrieben durch die Privatwirtschaft bietet Wasserstoff heute revolutionäre Lösungen in einem Schlüsselsektor im Kampf gegen die Klimaerwärmung an: der Mobilität. 

Im Fahrzeug wird der Wasserstoff unter hohem Druck durch einen Platinkatalysator gepresst, wo er in positiv geladene Protonen (H+) und negativ geladene Elektronen aufgespalten wird, die den Strom zum Antrieb des Fahrzeugmotors erzeugen © GreenGT

Die Schweiz ist ein ideales Testgelände für Verkehrsinnovationen. Sie ist das erste Land der Welt, das diese neue Form der emissionsfreien Mobilität auf nationaler Ebene testet, nachdem das entsprechende Umfeld dafür geschaffen wurde. Andere Länder in Europa ziehen nach, darunter Deutschland und die Niederlande. Dass die Schweiz zu den Pionieren auf dem Gebiet des «grünen Wasserstoffs» gehört, erstaunt nicht, verfügt sie doch über die grösste Menge an elektrischer Energie, die aus Wasser gewonnen wird. Ausserdem gibt es hier genügend andere erneuerbare Energieträger, um die Produktion von «grünem Wasserstoff» sicherzustellen. Doch was braucht es, um mit dieser sauberen Energie ein Elektrofahrzeug zu betreiben, das nur Wasserdampf in die Atmosphäre abgibt? 

Null-Emissionen

Philippe Clément, Autojournalist bei der Westschweizer Zeitschrift Le Temps erklärt es so: Die Lösung basiert auf Wasserelektrolyse, d. h. der Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen. Nach dem Erzeugungsprozess wird der Wasserstoff in einer zusätzlichen Reinigungsstufe nachbehandelt. «Im Fahrzeug wird der Wasserstoff unter hohem Druck durch einen Platinkatalysator gepresst, wo er in positiv geladene Protonen und negativ geladene Elektronen aufgespalten wird, die den Strom zum Antrieb des Fahrzeugmotors erzeugen. Die Protonen reagieren mit Sauerstoff aus der Luft, wodurch Wasserdampf erzeugt wird. Dieser wird über den «Auspuff» abgeführt. Dies ist das Prinzip der Brennstoffzelle.

Mehrere Schweizer Unternehmen und Start-ups sind heute führend in diesem Technologiebereich, darunter GreenGT. Das Waadtländer Unternehmen hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2008 einen Namen gemacht mit elektrischen Hochleistungs-Antriebslösungen für Lkw und Rennwagen. Im September 2020 präsentierte GreenGT seinen vierten Rennwagen, den H24, der speziell für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans entwickelt wurde.

Reiner Wasserstoff wird durch Wasserelektrolyse gewonnen. Bei diesem Verfahren werden Wassermoleküle (H2O) bei hoher Temperatur in Wasserstoff (H2), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) aufgespalten © GreenGT
Reiner Wasserstoff wird durch Wasserelektrolyse gewonnen. Bei diesem Verfahren werden Wassermoleküle (H2O) bei hoher Temperatur in Wasserstoff (H2), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) aufgespalten © GreenGT

Knackpunkt Versorgung

Seine Besonderheit? Der H24 hat einen Wasserstoffantrieb, bei dem eine Brennstoffzelle die elektrische Energie aus dem Energieträger Wasserstoff erzeugt. Diese Energie wird direkt an die Elektromotoren an der Vorder- und Rückseite des Autos geleitet. Das Besondere an dieser Innovation ist somit die Brennstoffzelle. Brennstoffzellen bilden eine Alternative zur herkömmlichen Batterietechnologie. Die Reichweite und die Betankungszeit von Brennstoffzellenfahrzeugen sind vergleichbar mit Benzinfahrzeugen. Der grosse Unterschied liegt darin, dass sie emissionsfrei sind. Das lockt mittlerweile Hersteller wie Toyota, Daimler und Volvo auf den Plan.

Der grosse Vorbehalt bei der Lancierung der Technologie waren stets die fehlende Infrastruktur und die Kapazität zur Bereitstellung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff. In der Schweiz lassen sich Wasserstofftankstellen an einer Hand abzählen. Im Oktober 2016 hatte die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) auf ihrem Areal in Dübendorf die erste Wasserstoff-Zapfsäule der Schweiz mit einem für Personenwagen geeigneten Fülldruck von 700 bar in Betrieb genommen. Ein Monat später eröffnete Coop in Hunzenschwil (AG) die erste öffentliche Wasserstofftankstelle der Schweiz. Damit sich diese Technologie durchsetzen kann, braucht es ein flächendeckendes Wasserstofftankstellennetz.

Das Waadtländer Unternehmen GreenGT bietet seit seiner Gründung im Jahr 2008 verschiedene elektrische Hochleistungs-Antriebslösungen für Industrie und Lkw an © Green GT
Das Waadtländer Unternehmen GreenGT bietet seit seiner Gründung im Jahr 2008 verschiedene elektrische Hochleistungs-Antriebslösungen für Industrie und Lkw an © Green GT

Grossverteiler und GreenTech-Akteure schliessen sich zusammen

Für GreenGT sind solche Allianzen eine wesentliche Voraussetzung für die grosse Wende weg von Benzin und Diesel und hin zu Wasserstoff. In Frankreich, wo GreenGT ebenfalls präsent ist, hat das Unternehmen einen Vertrag mit Carrefour unterzeichnet, um mehrere 44-Tonnen-Lastwagen mit einem Wasserstoffantriebssystem auszurüsten. In der Schweiz entwirft GreenGT ein 40-Tonnen-Lastwagenmodell für die Migros Genf. Andere Akteure wie Avia, Coop, Coop Mineraloel, Migrol, Agrola und Fenaco gaben im Mai 2018 ihre Absicht bekannt, bis 2023 einen grossen Teil ihrer Lastwagenflotten auf Wasserstoff umzustellen. Zu diesem Zweck haben sie den Förderverein H2 Mobilität Schweiz gegründet. Die sieben Unternehmen betreiben zusammen mehr als 1500 Tankstellen und verfügen über eine Flotte von rund 1700 Lkw. Sie wollen den Aufbau einer Wasserstofftransportinfrastruktur auf nationaler Ebene gemeinsam an die Hand nehmen.
Wasserstoff revolutioniert nicht nur die Mobilität. Er bietet vielversprechende Lösungen in anderen Sektoren, insbesondere bei der Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien. Träumt nicht jede Betreiberin, jeder Betreiber einer Photovoltaikanlage davon, die produzierte regenerative Energie über die Jahreszeiten hinweg speichern zu können? Im Moment ist es selbst mit den leistungsstärksten Batterien auf dem Markt nicht möglich, Energie für mehr als ein paar Tage zu speichern. Deshalb speisen viele die überschüssige Produktionsmenge ins Stromnetz ein. Damit sind sie aber von ihrem Netzbetreiber und dem festgelegten festen Einspeisepreis abhängig. Dieses Problem dürfte bald der Vergangenheit angehören.

Das Besondere an den Fahrzeugen von GreenGT ist der Wasserstoffantrieb, bei dem eine Brennstoffzelle die elektrische Energie aus dem Energieträger Wasserstoff erzeugt © Green GT
Das Besondere an den Fahrzeugen von GreenGT ist der Wasserstoffantrieb, bei dem eine Brennstoffzelle die elektrische Energie aus dem Energieträger Wasserstoff erzeugt © Green GT

Wasserstoff für langfristige Energiespeicherung

In Sitten entwickelt die Firma GRZ Technologies einen neuen Typ von Batterien mit langer Lebensdauer. Dieses Spin-off der EPFL Valais/Wallis macht es möglich, überschüssige Solarenergie, die während des Sommers produziert wird, für die Nutzung im Winter einzulagern. Elektrische Energie, die zum Beispiel durch Solaranlagen erzeugt wird, wird im Sommer in Form von Wasserstoff gespeichert, um im Winter bei Bedarf wieder verwendet zu werden, ohne Umweg über das Stromnetz. 
Das Geheimnis dieser Innovation liegt in einer Metalllegierung, die Wasserstoff effizient speichern kann. Das ist die zentrale Idee des Start-ups GRZ Technologies, das 2017 von Noris Gallandat, Claudio Ruch und Professor Andreas Züttel gemeinsam gegründet wurde. Die Idee, Energie in Wasserstoff zu speichern ist nicht neu, aber es hat lange gedauert, bis konkrete Anwendungen entwickelt wurden. GRZ Technologies geht hier neue Wege. Ihr Know-how macht es möglich, Wasserstoff mit wesentlich höherer Dichte zu speichern als in einem herkömmlichen Druckbehälter. Und ohne Explosionsgefahr.  

Source: swissinfo.ch
Source: swissinfo.ch

Aber wie? Die Technologie basiert auf einem porösen Material, das den Vorteil hat, sechsmal mehr Energie zu speichern als eine Lithium-Ionen-Batterie, und das eine längere Batterielebensdauer gewährleistet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Batterien entladen sich die langlebigen Batterien nicht, wenn sie nicht gebraucht werden. Ausserdem ertragen sie grosse Temperaturschwankungen und geben nur Wasserdampf ab.
Das Walliser Start-up ist überzeugt vom Potenzial seiner Technologie. Es setzt auf stationäre Energiespeichersysteme und verweist auf die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere in den Bereichen Mobilität, Wasserstofffahrzeuge und Seefahrt. Das Gründerteam von GRZ Technologies macht keinen Hehl aus seinem Ziel, mittelfristig der führende Anbieter von Speicherlösungen in der Schweiz und danach in Europa zu werden. Das erscheint realistisch. Einem Bericht einer Gruppe von 11 europäischen Fernleitungsnetzbetreibern zufolge soll die Wasserstofftransportinfrastruktur bis 2040 zu einem Netz mit einer Länge von 23’000 km ausgebaut werden. Der sogenannte Europäische Wasserstoff-Backbone wird die Produktionsstätten in rund zehn Ländern, darunter die Schweiz, miteinander verbinden.  

 

Cover image: im September 2018 präsentierte das Waadtländer Unternehmen GreenGT seinen vierten Sportwagen, den H2 Speed, der in Zusammenarbeit mit Pininfarina entwickelt wurde. Der Rennwagen mit Wasserstoffantrieb ist ausschliesslich für den Rundstreckeneinsatz bestimmt © GreenGT