Mit Schweizer Technologie für die Klimakrise gewappnet
Ob Start-up oder multinationales Unternehmen, Schweizer Firmen bieten oft wenig bekannte, aber erfolgversprechende Lösungen für die globale Erderwärmung. Ein Überblick über einige der Akteure, die sich zum Ziel gesetzt haben, gegen die Klimakrise vorzugehen.
Unter den Lösungen gibt es alte und neue, ausgereifte, aber auch Ideen im Entwicklungsstadium. Einige sind komplex und teuer, viele sind jedoch für alle erschwinglich. Einige dieser kohlenstoffneutralen Technologien zur Bekämpfung der vom Menschen verursachten Umweltverschmutzung, namentlich CO2-Emissionen und Plastik, werden hier vorgestellt. Sie sind in sechs Kategorien unterteilt.
Vorteile von Solarpanels
Es gibt die Solarpanels, die nach der Installation kostenlos Strom produzieren und die es dank ihrer inerten Eigenschaft jedem Haushalt erlauben, rasch mehr Kilowattstunden zu produzieren, als er verbraucht. Die Photovoltaik zur Stromerzeugung ist zwar auf dem Vormarsch, aber für die Fachleute nicht schnell genug. Die blauen und schwarzen Solarmodule können nicht nur auf Dächern installiert werden, sondern auch an Fassaden und Zäunen. Die Bündner Firma DHP Technology entwirft zum Beispiel Solarfaltdächer.
Es kommen aber auch dünne und transparente Panels oder Solarziegel auf den Markt. Agro-Photovoltaikanlagen wie diejenigen des Waadtländer Start-ups Insolight sind zugelassen, wenn sie auch für die Kulturen einen Nutzen bringen. Selbst Mieterinnen und Mieter können auf ihren Balkonen Solarpanels mit Wechselrichter installieren, um ihre Stromkosten zu senken.
Es gibt auch thermische Solaranlagen: Der Genfer Hersteller TVP Solar weihte im November 2022 am Produktionsstandort von Emmi in Langnau eine industrielle solarthermische Anlage ein. Die auf dem Dach verteilten Hochvakuum-Solarthermiekollektoren decken rund ein Zehntel des hohen Wärmebedarfs für die Herstellung von Käse. Eine weitere Lösung sind geothermische Panels: Enerdrape, ein Spin-off der ETH Lausanne, installiert seit Kurzem solche Panels in Parkhäusern, um die natürliche Wärme von unterirdischen Infrastrukturen zu nutzen oder im Sommer deren kühle Temperaturen. Mit solchen Installationen können gemäss Enerdrape 60 Prozent des Energiebedarfs eines Gebäudes gedeckt werden.
Biomasse und Geothermie
In der Schweiz gewinnt die Geothermie an Bedeutung. Die aus einigen hundert Metern Tiefe gewonnene Wärme wird je nach Jahreszeit zum Heizen oder Kühlen eines Gebäudes genutzt. Die Wärmepumpe mit Erdwärmesonde gehört langfristig zu einer der kostengünstigsten Alternativen zu fossilen Heizungen. In noch tieferen Erdlagen kann mit der gewonnenen Erdwärme auch Strom erzeugt werden, sowohl im Sommer als auch im Winter. Die Solarpumpen des Freiburger Unternehmens Swiss Intech saugen Wasser aus 90 Metern Tiefe und stossen in Afrika auf grosses Interesse.
Auch der Boden birgt an der Oberfläche erneuerbare Schätze. Die im Kanton Jura ansässige groupe Corbat stellt an ihrem Standort in Glovelier Wasserstoff aus Holz her. Dieses Gas kann im Verkehr oder zur Energiespeicherung verwendet werden. Das Walliser Unternehmen WattAnyWhere mit Sitz in Sion wandelt das aus den Rückständen der Biomasse gewonnene Ethanol in Strom um für Ladestationen von Elektrofahrzeugen. Das Freiburger Jungunternehmen Bloom Biorenewables mit Sitz in Marly nutzt die Biomasse aus Rinde, Blättern oder Kernen, um daraus nachhaltige Produkte herzustellen.
Chemie und Biowissenschaften
Hier finden sich Unternehmen wie TRS, Deasyl, DePoly oder TreaTech. Die Firma TRS mit Sitz im Kanton Neuenburg verwendet schwefelfressende Bakterien, um Reifen zu recyceln, ihren Gummi wiederzuverwerten und daraus ein Pulver herzustellen, das als Rohstoff in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen genutzt werden kann. Das Genfer Unternehmen Deasyl recycelt Öle für die Herstellung von Treibstoffen der zweiten Generation.
Das Walliser Unternehmen DePoly recycelt PET mithilfe eines umweltfreundlichen chemischen Prozesses, der es in seine ursprünglichen Rohstoffe zurückverwandelt und unendlich viele Kreisläufe ermöglicht. TreaTech stellt aus Abfällen kostengünstig Dünger und Gas her. Das Lausanner Unternehmen hat ein System entwickelt, das Klärschlamm in Mineralsalze und Biogas verwandeln kann.
CO2 aus der Luft filtern
In diesem Bereich gibt es Technologien, die bereits in grossem Massstab eingesetzt werden können. Das bekannte Zürcher Umwelt-Start-up Climeworks sicherte sich im April 2022 650 Millionen US-Dollar für seine Anlage zur CO2-Abscheidung auf Island, die mit Geothermie betrieben wird. Seine Anlagen sind vorerst nur einen Tropfen auf den heissen Stein angesichts des weltweiten CO2-Ausstosses.
CO2 zurückgewinnen? Die weltweite Nummer eins im CO2-intensiven Zementgeschäft, die Zürcher Holcim AG, arbeitet mit der ETH Zürich an einer Lösung zur CO2-Reduktion. Im Wallis entwickelt die Firma Qaptis ein Kit für die Abscheidung von CO2 beim Auspuff. Verschiedene KMU versprechen grosse Fortschritte im Transportwesen: vom Freiburger Unternehmen Softcar, das ein Modell eines Elektro- und Erdgasautos entwickelt, das das umweltfreundlichste der Branche sein soll, bis hin zum Walliser Unternehmen H55, das an einem Elektroflugzeug arbeitet.
Der CO2-Preis bleibt ein Problem. Die Extraktion einer Tonne CO2 aus der Luft kostet 600 US-Dollar, zehnmal mehr als ein Kompensationszertifikat. Aber die Dinge ändern sich, da der aus der Luft abgeschiedene Kohlenstoff in Kunststoff umgewandelt oder als Dünger oder sogar als Treibstoff verwendet werden kann.
Potenzial von Gasen
Das CO2 könnte in der Energielandschaft von morgen eine wichtige Rolle spielen. Die deutsche Firma TES arbeitet an einem unterirdischen Gasnetz für Europa, das in einem geschlossenen Energiekreislauf funktioniert. Die Schweiz soll an diese Infrastruktur angeschlossen werden. TES will die CO2-Emissionen von Industrieanlagen zur Erzeugung von Wasserstoff und Methan nutzen und hat eine Partnerschaft mit dem Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen unterzeichnet. Die Technologie von TES ermöglicht den Transport und die Speicherung von Gas ohne Beeinträchtigung der Landschaft, im Gegensatz zu den Strommasten.
CO2? In einer Schule in Sion im Kanton Wallis wurde im Sommer 2022 ein mit CO2 betriebenes Netzwerk zur Wärmeverteilung eingeweiht. Laut den Entwicklern von Oiken und dem Start-up Exergo könnte sich diese Technologie in den Städten als Standard durchsetzen.
Die Parabolspiegel des Lausanner Unternehmens SoHHytec bündeln das Sonnenlicht auf einen Elektrolyseur, der die Wasserstoff- und Sauerstoffmoleküle aufspaltet, um Wärme zu gewinnen. Was die Zürcher Firma Synhelion betrifft, so erzeugt Sie Solartreibstoff für die Luftfahrt, die Handelsschifffahrt und den Strassenverkehr.
Klassische Anlagen
Einige sind seit vielen Jahren weltbekannt, darunter die Staumauer Grande Dixence. Andere schaffen den Durchbruch kaum: In der Schweiz gibt es nicht mehr als vierzig Windkraftanlagen, obwohl sich die Technologie bewährt hat.
Andere kommen zum richtigen Zeitpunkt: Das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance, das im Sommer 2022 in Betrieb genommen wurde, kann das vom höher gelegenen Stausee zufliessende Wasser turbinieren und das Wasser vom tieferliegenden See wieder hinaufpumpen, um die Stromreserven zu erhöhen.
Fast zwei Drittel des in der Schweiz produzierten Stroms stammen aus Staudämmen und ein Drittel aus Kernkraftwerken, zwei praktisch kohlenstoffneutrale Energiequellen. Immer mehr Start-ups setzen künstliche Intelligenz ein für eine optimale Nutzung des Stroms, des Stromnetzes oder der Energie im Allgemeinen. Ihre Lösungen reichen von grossen Produktionsanlagen bis hin zum Energieverbrauch der Haushalte.
Dieser Artikel von Richard Etienne erschien ursprünglich am 18. November 2022 in der Westschweizer Zeitung «Le Temps».