© Romande Energie

Schweiz hat weltweit erste hochgelegene schwimmende Solaranlage

In der Walliser Gemeinde Bourg-Saint-Pierre in den Schweizer Alpen findet man eine Anlage, die weltweit einzigartig ist: einen schwimmenden Solarpark auf einem Stausee auf 1810 Metern Höhe.

Die weltweit erste schwimmende Solarzellenstation in alpiner Umgebung sieht aus wie ein Floss, das stolz auf dem Lac des Toules treibt. Dieser Stausee befindet sich auf 1810 Metern Höhe auf dem Gebiet der Gemeinde Bourg-Saint-Pierre im Kanton Wallis unweit der Grenze zu Italien. Die einzigartige schwimmende Konstruktion wurde im Dezember 2019 von einem Westschweizer Elektrizitätsunternehmen installiert. «Die Idee entstand bei einer Tasse Kaffee», erzählt Guillaume Fuchs, Projektleiter Windenergie und schwimmende Solaranlagen bei Romande Energie. «Wir fragten uns, wie wir die Speicherbecken unserer Wasserkraftwerke energetisch besser nutzen könnten. Wir dachten zuerst an Windenergie, was aber zu aufwändig gewesen wäre. Deshalb kamen wir auf die Idee mit schwimmenden Solarpaneelen.»

Die Schwimmkörper sind aus Polyethylen, die Trägerstruktur aus Aluminium und die Solarpaneele aus Glas © Romande Energie

In der Region des Grossen Sankt Bernhard

Das Unternehmen entschied sich für weitere Abklärungen im Wallis, weil es Aktionär der Elektrizitätsgesellschaft Forces Motrices du Grand-Saint-Bernard ist, die insbesondere das Wasserkraftwerk Les Toules betreibt. «Im August 2013 haben wir eine Pilotinstallation in der Nähe des Lac des Toules getestet. Es stellte sich rasch heraus, dass die alpine Umgebung und die Photovoltaik-Technologie gut zusammenpassen. Die Testanlage produzierte bis zu 50 Prozent mehr Strom als eine vergleichbare Anlage im Flachland», erklärt Guillaume Fuchs stolz. Das Team entschied sich, das Abenteuer fortzusetzen. Nachdem bereits die Vorstudie durch das Forschungsprogramm Photovoltaik des Bundesamts für Energie (BFE) unterstützt worden war, beantragte das Projektteam im Rahmen des Pilot- und Demonstrationsprogramms des BFE erneut einen Förderbeitrag für das aktuell laufende Projekt. «Das Programm fördert die Entwicklung und Erprobung neuer Technologien in Bereichen, die zur Erreichung der Ziele der Energiestrategie 2050 beitragen. Dabei geht es um die sparsame und effiziente Energienutzung, die Energieübertragung und -speicherung sowie die Nutzung erneuerbarer Energien. Das Förderprogramm hat das Ziel, den Reifegrad von neuen Technologien zu erhöhen, um sie letztendlich zur Marktreife zu bringen. Wir waren der Ansicht, dass das Projekt auf dem Lac des Toules die Förderkriterien erfüllt», sagt Karin Söderström, Fachspezialistin Energieforschung im BFE. Im März 2017 reichte Romande Energie ein Plangenehmigungsgesuch für eine Demonstrationsanlage auf dem Lac des Toules ein und erhielt sechs Monate später eine Baubewilligung des Kantons Wallis. 

Die gesamte Anlage bedeckt weniger als zwei Prozent der Seeoberfläche © Romande Energie
Die gesamte Anlage bedeckt weniger als zwei Prozent der Seeoberfläche © Romande Energie

Schwimmende Anlage

Die Anlage besteht aus 36 schwimmenden Plattformen. Auf 35 davon sind jeweils 5 Reihen mit 8 Solarpaneelen montiert, was einer Fläche von 2240 m2 entspricht. «Die Schwimmkörper bestehen aus Polyethylen, der Unterbau der Solarzellen aus Aluminium», erklärt Guillaume Fuchs. «Die doppelseitigen Paneele sind aus Glas. Sie wurden in der Nähe des Sees zusammengebaut und anschliessend per Helikopter auf die Trägerstruktur gebracht. Die gesamte Anlage bedeckt weniger als zwei Prozent der Seeoberfläche», fügt er hinzu. Der Solarpark auf dem Lac des Toules schwimmt, solange der See Wasser enthält. Zwischen Dezember und März, wenn sich das Speicherbecken vollständig entleert, bleibt er auch auf dem geebneten Seegrund in Betrieb. Weder Fauna noch Wasserflora werden von der Anlage beeinträchtigt. «Mehrere Umweltverbände haben bestätigt, dass sich die Solaranlage nicht negativ auf den See auswirkt. Aufgrund der jährlichen Entleerung des Stausees während mehrerer Monate haben Fauna und Wasserflora sowieso keine Möglichkeit sich zu entfalten», betont Guillaume Fuchs. «Natürlich sind solche Anlagen aus Gründen des Umweltschutzes nicht für sämtliche Bergseen geplant», betont Karin Söderström. «Grundsätzlich können schwimmende Solarpaneele die Entwicklung von Flora und Fauna in einem See gefährden. Bei Speicherseen, die sich jedes Jahr vollständig entleeren, ist das jedoch nicht der Fall, und so haben die Solarzellen kaum Auswirkungen auf die Umwelt.»

Nach der Montage wird die Struktur per Helikopter auf dem Lac des Toules abgesetzt © Romande Energie
Nach der Montage wird die Struktur per Helikopter auf dem Lac des Toules abgesetzt © Romande Energie

Vorteilhafte alpine Umgebung

Im Vergleich zu einer Anlage gleicher Grösse an Land produziert der schwimmende Solarpark auf dem Lac des Toules bis zu 50 Prozent mehr Energie. Dafür gibt es drei Gründe, die mit der alpinen Lage zu tun haben: die Kälte, die UV-Strahlung und die Reflexion des Sonnenlichts. «Die photovoltaischen Zellen sind bei niedrigen Temperaturen wirksamer», erklärt Guillaume Fuchs. «Der Standort bietet ein grosses Sonnenkraft-Potenzial, insbesondere im Winter», weiss Karin Söderström. «Auf 1810 Metern Höhe gibt es im Vergleich zum Mittelland wenig Nebel. Zudem produzieren die Paneele durch die Lichtreflexion auf der Schneedecke mehr Energie. Das nennt man den Albedo-Effekt.» Die Verwendung doppelseitiger Module ist hier besonders interessant. Wenn die Anlage schneebedeckt ist, produziert die Rückseite der Paneele durch das reflektierte Licht Strom, und dank der generierten Wärme rutscht der Schnee von der Vorderseite. 

Von Dezember bis März entleert sich der Lac des Toules und die Solaranlage sinkt auf den Boden © Romande Energie
Von Dezember bis März entleert sich der Lac des Toules und die Solaranlage sinkt auf den Boden © Romande Energie

Die Gegebenheiten in alpinen Höhen ermöglichen insgesamt eine höhere Energieproduktion, insbesondere während der Wintermonate. Die Installation eines Solarparks auf einem Bergsee war eine einzigartige Challenge, die sich gelohnt hat. «Zwar sind heute weltweit zahlreiche schwimmende Solaranlagen in Betrieb, aber eine solche Struktur im alpinen Kontext mit extremen Wetterbedingungen war eine Weltpremiere. Die Anlage ist eine Glanzleistung Schweizer Ingenieurskunst», sagt Karin Söderström stolz. Laut BFE stammte 2019 der Strom aus Schweizer Steckdosen zu rund 75 Prozent aus erneuerbaren Energien, und deren Anteil an der gesamtschweizerischen Stromproduktion lag bei 62 Prozent.

Das einzigartige Projekt erregt nicht nur in internationalen Fachkreisen Aufmerksamkeit, sondern entwickelt sich auch in der Region zu einer Attraktion. «Wir stehen in Kontakt mit Elektrizitätsexpertinnen und -experten in der Schweiz und in Europa, um die Technologie aufs Ausland zu übertragen», verrät Fuchs. «Unser abgelegenes Tal hat verschiedene Vorteile wie Sonne, Wasser und Wind zu bieten», sagt Gilbert Tornare, Gemeindepräsident von Bourg-Saint-Pierre. «Das Projekt stiess deshalb bei uns auf grosses Interesse und viel Begeisterung. Der schwimmende Solarpark lockt mittlerweile zahlreiche Neugierige an. Er sichert gewissermassen nicht nur die Unabhängigkeit unserer Region, sondern trägt auch zu unserem wirtschaftlichen Überleben bei.» 

Der Solarpark beeinträchtigt weder Fauna noch Flora des Sees, denn dieser ist ein Sammelbecken, das sich im Winter entleert, so dass sich weder Tiere noch Pflanzen entfalten können © Romande Energie
Der Solarpark beeinträchtigt weder Fauna noch Flora des Sees, denn dieser ist ein Sammelbecken, das sich im Winter entleert, so dass sich weder Tiere noch Pflanzen entfalten können © Romande Energie

Watt d’Or 2021

Die Kosten für den Solarpark auf dem Lac des Toules belaufen sich bisher auf 2,35 Millionen Franken. Die Jahresproduktion liegt bei über 800’000 Kilowattstunden (kWh), was ungefähr dem Strombedarf von 220 Haushalten entspricht. Mit ihrem ehrgeizigen Technologieprojekt gewann Romande Energie den Watt d’Or 2021 in der Kategorie Erneuerbare Energien. Trotz der hohen Effizienz ist die aktuelle Anlage ein provisorisches Demonstrationsprojekt, denn Romande Energie hat bereits grössere Pläne. «2022 wollen wir eine grössere Anlage dauerhaft auf dem See installieren», verrät Guillaume Fuchs. «Wir streben eine Jahresproduktion von 22 Millionen kWh an, was den Bedarf von 6100 Haushalten abdecken würde». Romande Energie rechnet damit, dass die Baubewilligung für die neue Anlage Anfang 2021 vorliegen wird. 

Die Solarpaneele sind doppelseitig. Durch die Stromerzeugung erwärmen sie sich, und der Schnee auf der Oberfläche schmilzt © Romande Energie
Die Solarpaneele sind doppelseitig. Durch die Stromerzeugung erwärmen sie sich, und der Schnee auf der Oberfläche schmilzt © Romande Energie