Swiss a-Peel: Wie aus Fruchtabfällen innovative Materialien entstehen
Zwei Start-ups aus der Schweiz hauchen organischen Abfällen ein neues, trendiges Leben ein – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft.
Öffnen Sie den Mülleimer unter der Küchenspüle und schauen Sie genau hin. Dort liegt der Abfall, der Spiegel unseres täglichen Konsumverhaltens, bis er in einen Müllwagen geworfen und der Entsorgung zugeführt wird.
Sarah Kim Harbarth tat genau das, als sie an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) Industriedesign studierte. «Moment mal», sagte sie sich damals im Jahr 2019, «wir importieren all diese Bananenschalen und machen nichts damit? Das kann doch nicht sein.»
Zwei Jahre später hat sie eine Verwendung für die Schalen gefunden: Harbarth, mittlerweile ausgebildete Produktdesignerin, leitet das Start-up-Unternehmen KUORI, dessen Ziel es ist, die Schuhindustrie durch die Herstellung von Sohlen aus Bananenschalen zu revolutionieren.
Das 100-prozentig biologisch abbaubare Material, das sich im Gegensatz zu synthetischem Kautschuk erst nach Jahren zersetzen soll, erfüllt viele Ansprüche in Bezug auf Nachhaltigkeit: Es trägt zur Verwertung von Abfällen bei, die in neuwertige Stoffe umgewandelt werden (Upcycling); es schliesst den Ressourcenkreislauf (Kreislaufwirtschaft); und es trägt nicht zuletzt zum Kampf gegen die Verschmutzung durch Mikroplastik bei, indem die Menge der Gummipartikel, die durch Abrieb in die Umwelt gelangen, verringert wird.
Die Resonanz in Medien und Öffentlichkeit war gross, als sich Harbarth 2020 in den sozialen Medien zum ersten Mal zu ihrem Vorhaben äusserte. Die Leute fragten: «Wo können wir das kaufen? Die Begeisterung war gross, und die Zahl der Follower wuchs. Zu diesen hohen Erwartungen und der damit verbundenen Verantwortung hinzu kommt ein Förderbeitrag der Gebert Rüf Stiftung in Höhe von 60’000 Franken im Rahmen des Programms «First Ventures», das Bachelor- und Masterstudierende unterstützt, die eine innovative Geschäftsidee entwickeln.
Handtaschen aus Äpfeln
Höher in der Nahrungskette der Modeindustrie – zumindest was den Glamourfaktor angeht – und bereits seit 2016 auf dem Markt ist «die weltweit erste Luxus-Handtasche aus Äpfeln» von Happy Genie. Auch in diesem Fall entstand das Konzept aus Frustration über das herkömmliche Material – in diesem Fall Leder – und der Suche nach einer nachhaltigeren Alternative.
«Die wenigsten Gerbereien weltweit wissen Bescheid über die Herkunft der Tiere», sagt Tanja Schenker, die vor der Gründung ihres Start-ups bereits mehrere Jahre lang Handtaschen produziert hatte. Ethisch unbedenkliches Rindsleder zu beschaffen, war zwar möglich, aber teuer. Im Vordergrund stand jedoch eine persönliche Überlegung:
Mir wurde klar, dass ich zwar die Herkunft des Leders kontrollieren kann, nicht aber, woher die Produkte meines täglichen Bedarfs kommen.
Damals beschloss sie, Veganerin zu werden und den Worten auch im Geschäft Taten folgen zu lassen.
In Äpfeln fand Schenker das ideale Ausgangsmaterial: Versuche hatten gezeigt, dass aus Überresten der Apfelsaftproduktion ein Leder gewonnen werden kann, das genau aussieht wie herkömmliches Leder. «Ich wollte nicht einfach ein weiteres Produkt, das schädlich ist für die Umwelt, in Verkehr bringen. So passte es perfekt.» Sie schloss sich mit einem Kunstlederhersteller in Italien zusammen, der über das Know-how und die Ausrüstung verfügte, um neue Stoffe zu testen. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass sie beschloss, alles auf eine Karte zu setzen.
Nachhaltigkeit hat nicht nur mit dem Material zu tun: Sie betrifft die ganze Lieferkette. «Der gesamte Wertschöpfungsprozess findet in einem Umkreis von weniger als 700 Kilometern zwischen Südtirol und Mittelitalien statt», sagt Schenker. Das Ergebnis ist eine hochwertige, handgefertigte Tasche, die «ethisch unbedenklich, nachhaltig und ohne Tierleid erzeugt wird, keine Abstriche bei Qualität und Styling macht und darüber hinaus den Anforderungen an vegane und lokal produzierte Produkte entspricht.»
Banane auf dem Prüfstand
Sarah Kim Harbarth und ihr Startup KUORI (das finnische Wort für «schälen») in Basel wiederum sind an einem kritischen Punkt angelangt: Sie haben bis Januar 2022 Zeit, um wissenschaftlich nachzuweisen, dass ihr Biomaterial – abgesehen von der spassigen Assoziation von Fussgängern und Bananenschalen – als Alternative zu synthetischem Kautschuk für Schuhsohlen taugt.
Dank des Fördergeldes konnte Harbarth ein Team einstellen und bereitet sich nun auf die Aufschaltung der Website vor. Sobald der verlangte Nachweis erbracht ist, wird eine wichtige Frage lauten: Mit wem soll sie sich zusammentun, um einen wirklich 100-prozentig kompostierbaren Schuh herzustellen? Aber eigentlich geht es Harbarth um das grössere Ganze: «Letztendlich wird kein Mikroplastik in die Natur eingebracht. Alles, was wir der Natur entnehmen, geben wir ihr wieder zurück.»
Cover image : © Happy Genie
Portrait image : © KUORI