Eawag – Umgang mit einer wertvollen Ressource
Das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs (Eawag) setzt sich unermüdlich dafür ein, ökologische, ökonomische und soziale Interessen im Zusammenhang mit der Wassernutzung in Einklang zu bringen. Das Institut dient somit als Brücke zwischen der wissenschaftlichen und der «realen» Welt.
In diesem dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gibt es weltweit zahlreiche ökologische Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Dazu gehört nicht nur die Bekämpfung verschiedener Arten von Verschmutzung, sondern auch die Gewährleistung eines gesunden Wasserökosystems durch Wasseraufbereitungstechniken. Die an der Eawag durchgeführten Forschungsarbeiten sind für die Überwachung der Reinheit dieser kostbaren Ressource unerlässlich.
Die Schweiz wird auch als Wasserschloss Europas bezeichnet, mit mehreren grossen – und vielen kleineren – Seen, den Flüssen Rhein und Rhone sowie einer Fülle von Gletschern und Gebirgsbächen. Für die Forschung der Eawag bieten sich also sehr unterschiedliche Umgebungen an. Das Institut ist fest in der Schweiz verankert, aber weltweit vernetzt und befasst sich mit Konzepten und Technologien für einen nachhaltigen Umgang mit der globalen Ressource Wasser.
Eliminierung von Nanoplastik – ein brandaktuelles Thema!
Winzige Plastikteilchen gelangen nicht nur in Meere und Seen, sondern auch ins Trinkwasser – und sogar in abgefülltes Mineralwasser. Die Eawag und die Wasserversorgung Zürich lancierten 2019 ein gemeinsames Projekt, um herauszufinden, ob Kleinstpartikel, die kleiner als ein Tausendstel Millimeter sind, aus dem Seewasser in die Trinkwasserleitungen und damit in Wohnungen, Spitäler und Restaurants gelangen.
In einem kürzlich erschienenen Bericht zeigen die Forschenden auf: Selbst wenn sich beträchtliche Mengen an Nanoplastik im Rohwasser befänden, würden diese Partikel in den Sandfiltern der Aufbereitung sehr effizient zurückgehalten. Am effizientesten, im Bereich von 99,9 Prozent, wurden die Nanopartikel im biologisch aktiven Langsam-Sandfilter zurückgehalten, und zwar sowohl in Laborversuchen als auch auf einer grösseren Testanlage direkt bei der Wasserversorgung Zürich. «Die Vermutung liegt nahe, dass die Verwitterung von grösseren Plastikpartikeln in der Umwelt irgendwann auch zu Nanoplastik führt», sagt Ralf Kägi, Leiter des Eawag-Partikellabors.
Innovation und Nachhaltigkeit im Abwasserbereich
Ein Forschungsschwerpunkt der Eawag ist die Abwasseraufbereitung. Wenn wir die Toilette spülen, gehen viele Nährstoffe verloren. Phosphor, Stickstoff, Kalium und andere potenziell wertvolle Elemente aus dem Urin können zur Herstellung von Düngemitteln für die Landwirtschaft verwendet werden, während getrockneter Fäkalschlamm zu Brennstoffpellets verarbeitet werden kann.
Im Rahmen des Projekts «Blue Diversion Autarky» haben die Eawag und ihre Partner eine autarke Toilette ohne Netzanschluss entwickelt, die eine maximale Rückgewinnung von Ressourcen ermöglicht: Fäkalien, Urin und Spülwasser werden an der Quelle für die weitere Behandlung getrennt. Gleichzeitig bietet diese innovative und nachhaltige Toilette eine sichere und erschwingliche Lösung für Menschen, die in Gebieten ohne Strom, Wasseranschluss oder Kanalisation leben. Das Schweizer Projekt hat verständlicherweise auf internationaler Ebene grosse Aufmerksamkeit erregt.
Erkenntnisse aus Afrika in der Praxis nutzen
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen ist ein Menschenrecht. Familien in Uganda, deren Hauptwasserquelle der Viktoriasee ist, nutzen ein von der Eawag entwickeltes schwerkraftgetriebenes Membranfiltrationsverfahren. Früher wurden die Kinder von Margaret Athieno krank, wenn sie das Wasser direkt aus dem See tranken, es sei denn, es wurde mit Bilharziose-Tabletten behandelt. Jetzt beziehen sie sauberes Trinkwasser von einem Wasserkiosk an der örtlichen Schule.
Zusammen mit lokalen Partnern hat die Eawag in Kenia und Uganda fünf Wasserkioske errichtet, die Zehntausende von Menschen mit Trinkwasser versorgen. Die in Afrika gesammelten Erkenntnisse werden in der Schweiz zur Erforschung von Anwendungen in den Bereichen dezentrale Trinkwasserversorgung und Grauwasserrecycling genutzt. Dies ist ein hervorragendes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen einem Forschungsinstitut und lokalen Behörden.
Überwachung von Fauna und Flora
Klimawandel und Umweltverschmutzung wirken sich negativ auf die Fauna und Flora der Schweizer Seen, Flüsse und Bäche aus, wobei Fische am stärksten betroffen sind. Seit über 15 Jahren erforscht die Eawag die Fischvielfalt in Schweizer Seen und Flüssen – auch in Sedimenten. Die gefundenen Schuppen, Knochen und Zähne werden anhand genetischer Methoden untersucht. Ein Vergleich mit historischen Daten zeigt, dass in unseren Seen heute nur ein Bruchteil des Bestands von früher lebt.
Klimaschutz ohne Umweltschäden
Auf dem Grund des Genfer Sees verläuft ein riesiges Rohr. Das aus einer Tiefe von 40 Metern gepumpte Wasser wird durch einen Wärmetauscher geleitet, bevor es in den See zurückgeführt wird. Anstelle von Öl oder Gas nutzen die lokalen Behörden Energie aus dem Wärmetauschernetz, um die Gebäude des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und anderer internationaler Organisationen zu beheizen, wodurch bis zu 80 Prozent weniger CO2-Emissionen anfallen. Im Sommer wird das System zur Kühlung eingesetzt. Seen sind jedoch empfindliche Ökosysteme, in denen komplexe biologische, chemische und physikalische Prozesse zusammenspielen. Die Eawag zeigt mit ihrer Forschungsarbeit auf, welche Arten der thermischen Energienutzung unbedenklich sind – ja sogar nützlich sein können: Kühles Wasser, das aus der Tiefe entnommen und an der Oberfläche wieder eingeleitet wird, senkt im Sommer die Wassertemperatur und mildert so die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den See.
Von der wissenschaftlichen Neugier zur Anwendung in der Praxis
Bei der Eawag arbeiten Expertinnen und Experten der Natur- und Ingenieurwissenschaften eng mit jenen der Sozialwissenschaften zusammen. Die Entwicklung einer Technologie ist oft nur der erste Schritt zur Lösung eines Problems – ob sich die Lösung durchsetzen kann, hängt letztlich von politischen und gesellschaftlichen Prozessen ab. Eine interdisziplinäre Herangehensweise an wasserbezogene Themengebiete führt eindeutig zu einer differenzierteren Analyse und damit oft zu besseren Lösungen, die langfristig uns allen zugutekommen.
Coverbild: ©️ Eawag, Tobias Ryser