Energypolis: Schweizer Ökosystem für nachhaltige Entwicklung
Sitten ist seit 2015 ein internationaler Bildungs- und Forschungsstandort im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Die Ereignisse der letzten Monate haben die Welt auf den Kopf gestellt – unser Blick auf die Zukunft hat sich verändert. Zu den entscheidenden Faktoren, die den Menschen das Weiterleben auf unserem Planeten gewährleisten sollen, gehört die nachhaltige Entwicklung. Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung definierte bereits 1987 nachhaltige Entwicklung als «Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.» Mit dieser Vision der Nachhaltigkeit wurde der Campus in Sitten gegründet. Seit 2015 vereint Energypolis die Walliser Zweigstelle der ETH Lausanne, die Hochschule für Ingenieurwissenschaften HES-SO Valais-Wallis und die Stiftung The Ark. Mit dem gebündelten Fachwissen dieser drei Partner werden künftige Expertinnen und Experten in den Bereichen Energie, Gesundheit und Umwelt ausgebildet.
Energypolis
«Energypolis ist ein Kompositum aus Energie und Polis (Stadt)», erklärt Marc-André Berclaz, operativer Direktor der EPFL Valais Wallis. «Als wir die Studiengänge definierten, die auf dem Campus angeboten werden sollten, kristallisierten sich rasch Energie, Chemie und Umwelt als dominierende Themen heraus.»
Was könnte besser zur alpinen Landschaft passen, in der sich der Campus befindet? 2012 unterzeichneten die ETHL und der Kanton Wallis eine Vereinbarung zur Gründung einer Zweigstelle der ETHL im Wallis – die EPFL Valais Wallis. «Diese Partnerschaft ist ein bedeutendes Projekt für das Wallis. Mit der Präsenz der ETHL wollten wir sämtliche einschlägigen Ausbildungsgänge in unserem Kanton an einem einzigen Standort zusammenfassen», sagt Sophia Dini, Delegierte für Wirtschaft und Innovation des Kantons Wallis.
«Wir haben 400 Millionen Franken in das Projekt Energypolis investiert, ein Drittel davon in die Gründung des Zentrums EPFL Valais Wallis. Damit sind wir Teil des Schweizerischen Innovationsparks und können uns weltweit als in der Energiebranche führende Institution positionieren.»
Talentschmiede mit internationaler Ausstrahlung
Seit 2015 arbeiten am Campus in Sitten über 150 Forscherinnen und Forscher in den Bereichen grüne Chemie und neue Energietechnologien. Ausserdem unterrichten an der EPFL Valais Wallis zahlreiche international renommierte Professorinnen und Professoren. «Der gute Ruf unserer akademischen Lehrkräfte zieht viele Studierende an. Wir haben zudem Partnerschaften mit Hyundai, Toyota und dem US-Verteidigungsministerium», verrät Marc-André Berclaz.
«Das Know-how und die Arbeitsräume im Innovationspark unseres Campus haben eine internationale Anziehungskraft. Spin-offs, Start-ups und KMU entstehen in einem professionell begleiteten Umfeld», betont Sophia Dini. «Die weltweite Reputation der ETHL und die im Kanton angesiedelten Unternehmen sind ein grosser Vorteil. Vor Kurzem wurden wir von einem amerikanischen Start-up, das einen nicht entladbaren und nicht entflammbaren Berliner-Blau-Akkumulator entwickelt hat, angefragt, ob es sich im Campus niederlassen darf. Es möchte seine erste Fertigungsanlage in Zusammenarbeit mit Lonza im Wallis aufbauen. Die Visibilität in den USA ist für uns sehr wichtig, weil die bei uns entwickelten Produkte später zu einem Aushängeschild werden.»
Auszeichnung als innovativstes Schweizer Start-up
Mehrere Projekte von Studierenden, die von der Idee bis zur Umsetzung begleitet wurden, entwickelten sich zu vielversprechenden Geschäftsmodellen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. «So hat beispielsweise die Firma GRZ Technologies, die eine Wasserstoffspeichertechnologie entwickelt hat, vor Kurzem einen Vertrag mit einem grossen Automobilhersteller und dem Start-up-Unternehmen DePoly unterzeichnet. DePoly hat eine Methode für das chemische Recycling von PET erfunden und wurde im Juli 2019 als innovativstes Start-up der Schweiz ausgezeichnet», sagt Marc-André Berclaz.
Samantha Anderson ist Mitbegründerin von DePoly. Sie stammt aus Kanada, hat einen Master in organischer Chemie und absolvierte ihr Doktorat im Campus von Sitten.
«In der Schweiz befinden sich die zwei besten Ausbildungsinstitute der Welt für Chemie. Als ich erfuhr, dass der bekannte Chemiker Professor Berend Smit Doktoranden sucht, habe ich mich sofort beworben», erzählt Samantha Anderson. In ihrer Doktorarbeit befasste sich die Kanadierin mit dem Recycling von PET. «Plastik ist überall ein Problem. Pro Jahr werden nur gerade 9 Prozent der weltweit produzierten 20 Millionen Tonnen PET rezykliert. Damit sich das Material nicht auf Müllhalden oder in der Umwelt anhäuft, haben wir eine Methode für das chemische Recycling von PET entwickelt. Indem das PET nicht verbrannt, sondern rezykliert wird, können kostbare Rohstoffe wie Erdöl eingespart werden», betont die doktorierte Chemikerin.
Derzeit testet das Walliser Start-up sein Verfahren in der Abfallbehandlungsanlage Zentralwallis. Das Konzept soll jedoch mittelfristig zuerst nach Europa und danach in die ganze Welt exportiert werden. «Die Auszeichnung zum innovativsten Schweizer Start-up löste bei internationalen Investoren Interesse aus.
Es gibt erste Kontakte, doch auf Einzelheiten kann ich im Moment noch nicht eingehen. Ich hoffe, dass sich in fünf Jahren mehr Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung engagieren», sagt Samantha Anderson. Ein inspirierendes Start-up und ein vielversprechendes Verfahren zum Schutz unseres Planeten.