Bollywood und die Schweiz: eine lange Liebesgeschichte
Die Schweiz und ihre Berge sind in Indien sehr beliebt, namentlich dank der hierzulande gedrehten Bollywood-Filme. Die Begeisterung der Filmschaffenden macht unser Land zu einer Topdestination für indische Touristen, die unbedingt die Drehorte aus ihren Lieblingsfilmszenen besuchen wollen.
Im Sari im Schnee vor majestätischen Berggipfeln tanzen: Dieses Klischee verbindet Bollywood mit der Schweiz. Indische Regisseure lieben unser Bergpanorama als Set für ihre Filme – und das bereits seit den 1960er-Jahren. In Bollywood ist es üblich, dass die Filme bis zu zwei Stunden dauern und zahlreiche Gesangseinlagen und Tanzszenen beinhalten. Sie spielen oft in verschiedenen Ländern und etliche Filmemacher drehen gerne Teile ihrer Werke in der Schweiz. So wurden die romantischsten Szenen Hunderter Filme vor verschneiten Gipfeln, glitzernden Bergseen, mittelalterlichen Burgen und typisch helvetischen Dörfern gedreht. Diese filmische Mode erreichte ihren Höhepunkt in den 1990er-Jahren.
Durch die Darstellung der Schönheit der Schweiz trug Bollywood dazu bei, dass unser Land zu einem der beliebtesten Ferienziele der Inderinnen und Inder wurde. Die Schweiz steht für sie klischeehaft für romantische Landschaften und friedliche Stille.
Kultregisseure aus Bollywood machen seit über 50 Jahren Werbung für die Schweiz
Zu den Pionieren dieser cineastischen Vorliebe Bollywoods gehört Raj Kapoor. Er drehte zahlreiche Filmszenen in den Schweizer Alpen, namentlich für «Sangam» (1964), einen Spielfilm in Farbe mit Aufnahmen in London, Rom, Venedig, Paris und in der Schweiz. Zuvor wurde in den Bergen von Kaschmir gedreht. Angesichts der unsicheren Lage in der Region suchte die Filmbranche nach anderen Drehorten und verfiel schliesslich dem Charme der Schweiz.
1970 entdeckte der Regisseur Yash Chopra die Schweiz. Er war von der Landschaft um Interlaken verzaubert und drehte dort zahlreiche Szenen für seine Filme. Er war im Berner Oberland dermassen präsent, dass sogar ein Bergsee den Beinamen «Yash Chopra Lake» trägt. Zu den bekanntesten Bollywood-Filmen mit Schweizbezug gehört der 1995 gedrehte Film «Dilwale Dulhania Le Jayenge», der auch heute noch Filmbegeisterte in Entzücken versetzt. Namentlich in Mumbai, dem früheren Bombay und Heimat von Bollywood, stehen Filmklassiker auch viele Jahre nach ihrer Premiere auf dem Kinoprogramm. Interlaken verlieh dem 2012 verstorbenen Yash Chopra den Titel «Ambassador of Interlaken» und ehrte in 2016 mit einer lebensgrossen Statue, die ihn mit seiner Filmkamera zeigt.
Führungen zu den Drehorten der Bollywood-Filme
Seit etlichen Jahren bieten mehrere Veranstalter indischen Touristen Führungen zu den Drehorten der Bollywood-Filme an. So führt zum Beispiel Gstaad Saanenland Tourismus seit vier Jahren solche Ausflugstouren durch. Die Anregung kam ursprünglich von einem indischen Reiseunternehmen aufgrund der Nachfrage seiner Kundschaft. Jährlich buchen 500 Personen das Programm, das die Filmfans zu Orten wie Gstaad, den Kirchen in Montbovon (FR) und Rougemont (VD) und zur Brücke in Saanen führt, wo eine berühmte herzzerreissende Abschiedsszene entstand.
«Die Gäste besuchen Landschaften und Orte, die sie in den Filmen, die sie in- und auswendig kennen, gesehen haben. Die Orte haben für sie eine grosse romantische Bedeutung», erklärt Anita Roth-Reuteler, Präsidentin von Guides Gstaad Saanenland. «Vor Ort erleben sie unvergessliche Highlights, indem sie die Posen, Tänze und Dialoge aus den Filmen nachstellen – und natürlich mit ihren Kameras festhalten.» Der individuell gestaltbare Ausflug dauert ein bis fünf Stunden und steht selbstverständlich Besuchern aller Nationalitäten offen.
Bollywood-Star als Botschafter von Interlaken 2017
Auch die in der Region von Interlaken gedrehten Blockbuster veranlassen zahlreiche indische Touristen zu Reisen ins Berner Oberland. «Ein Beweis für die Beliebtheit der Destination ist das Dutzend indischer Restaurants in der Stadt», bemerkt Andrea Schneider, Verantwortliche für den Markt Indien und Vizedirektorin von Interlaken Tourismus. Sie entwickelt neue Ideen für Führungen zum Thema Bollywood, die demnächst angeboten werden und vor allem Honeymooner ansprechen sollen. Selbstverständlich sind die Ideen vorerst noch geheim...
Um die Schweiz in Indien als Reiseziel zu vermarkten, verpflichtete Schweiz Tourismus 2017 den indischen Film-Megastar Ranveer Singh als Markenbotschafter. Videoclips in den sozialen Medien und im Internet zeigen ihn bei Freizeitaktivitäten in Interlaken (Gleitschirmfliegen, Wasserski usw.). Die Kampagne will unter anderem vermitteln, dass Interlaken nicht nur Romantik zu bieten hat, sondern auch eine Destination für Abenteuerferien ist. Mit neuen Facetten des Tourismusortes, in dem heute weniger Filme gedreht werden, soll ein anderes Publikum angesprochen werden.
Die Liebe Bollywoods zu den Schweizer Bergen ist in letzter Zeit etwas abgeflaut, was auch mit den hohen Aufenthaltskosten für eine ganze Filmcrew zu tun hat. Einige Filmproduzenten ziehen andere Länder vor und drehen in ähnlichen Berglandschaften, beispielsweise in Österreich, Osteuropa oder Kanada. Dadurch lassen sich die Kosten senken. Das Publikum wiederum kann die verschneite Kulisse weiterhin für die Schweiz halten – manchmal wird sie sogar als diese ausgegeben. Es kommt auch vor, dass gewisse Länder die Filmequipen aus Bollywood mit einer finanziellen Unterstützung für sich zu gewinnen versuchen. Dessen ungeachtet steigt die Zahl der Übernachtungen indischer Touristen in der Schweiz kontinuierlich an...