2)	En 2018, elles pulvérisent le record suisse lors d’Athletissima à Lausanne

Das Dream-Team des Schweizer Frauensprints

Nach dem vierten Platz an den Weltmeisterschaften 2019 in Doha visieren die Läuferinnen der Schweizer 4x100-Meter-Staffel einen Podestplatz an den Olympischen Spielen in Tokio an. Die vier Schweizerinnen haben Wurzeln in Côte d’Ivoire, Benin, Kongo und Bosnien, was auch ihre Stärke ist.

Die Tessinerin Ajla Del Ponte, frischgebackene Hallen-Europameisterin über 60 Meter, hat auf mütterlicher Seite bosnische Wurzeln. Mujinga Kambundji, die 2019 in Doha mit Bronze die erste WM-Medaille im Sprint für die Schweiz holte, hat einen kongolesischen Vater. Die Eltern der Waadtländer 200-Meter-Spezialistin Sarah Atcho stammen aus Marokko und Côte d’Ivoire. Und die St. Gallerin Salomé Kora, 100-Meter-Halbfinalistin an den Weltmeisterschaften 2017 in London, hat einen beninischen Vater.

Ajla Del Ponte, Sarah Atcho, Mujinga Kanbundji et Salomé Kora

Die schnellen und charismatischen Läuferinnen mit ihren vielfältigen Wurzeln bilden die Schweizer 4x100-Meter-Frauenstaffel, die seit mehreren Jahren mit den Besten der Welt mithält. An den Weltmeisterschaften in London belegten sie den fünften Rang, zwei Jahre später in Doha den vierten, nur 8 Hundertstel hinter den Amerikanerinnen. Mit 42,18 Sekunden pulverisierten sie auch gleich den Schweizer Rekord. Bei den Sports Awards 2019 wurde die vier Sprinterinnen übrigens als Team des Jahres ausgezeichnet. Das ganze Land freute sich über den Erfolg in Doha. Auf der Zielgeraden lieferte sich Salomé Kora ein Duell mit der amerikanischen Schlussläuferin. «Ich sah und spürte, wie ich ihr auf den letzten 50 Metern immer näher kam», erzählt sie. «Immerhin waren es die Amerikanerinnen! Und gleichzeitig ein neuer Schweizer Rekord, das war super.» Die Staffelsprinterinnen wissen, dass sie an jenem Tag einen starken Eindruck hinterlassen haben. Alja Del Ponte freut sich:

Wir haben bewiesen, dass die Schweiz kein unbedeutendes Sprintland mehr ist.

«Das hat niemand von der kleinen Schweiz erwartet, obwohl wir uns jede Saison gesteigert haben», meint Mujinga Kambundji. «Wir haben gezeigt, dass wir mit den Besten der Welt mithalten können.» Der Trainer der Frauenstaffel, der Jurassier Raphaël Monachon, wird diesen Tag nicht so schnell vergessen. «An diesen Wettkampf werde ich mich mein Leben lang erinnern.»

Bei den Olympischen Spielen in Tokio im Sommer gehört die Schweizer Staffel zu den Anwärtern auf einen Podestplatz. «Ja, das ist ganz klar unser Ziel», erklärt Monachon, mehrfacher Schweizer Meister im 110-Meter-Hürdenlauf. Auch die Sprinterinnen zeigen keine falsche Bescheidenheit: «Wir haben bei grossen Meetings schon so oft den vierten oder fünften Rang erreicht, dafür arbeiten wir», sagt Salomé Kora. Und Ajla Del Ponte fügt hinzu: «In Doha haben wir die Medaille nur knapp verpasst, warum also nicht?»

Bei grossen Meetings findet der Staffellauf immer am Schluss des Abends statt, quasi als Highlight. Ob in Lausanne oder Zürich, vor Covid-19 stieg die Stimmung jeweils beim Auftritt der Schweizer Staffel. «Tausende Fahnen wurden geschwenkt, die Zuschauerinnen und Zuschauer standen auf und feuerten sie an, es war wie bei einem Fussballspiel», erzählt der Freiburger Laurent Meuwly, der die Staffel aufgebaut und sechs Jahre lang trainiert hat. Diese Begeisterung der Schweizer Bevölkerung spürt Raphaël Monachon auch in seinem kleinen jurassischen Dorf Sonceboz. «Wenn die Leute mich sehen, sagen sie mir oft, wie stolz sie sind, selbst wenn ich ihnen sage, dass ich nur der Trainer bin. Es gibt viele Fans dieses Teams.»

Auch im Fussball ist es einer Generation von Spielern mit Migrationshintergrund wie Xhaka, Shaqiri und Zakaria zu verdanken, dass die Schweizer Nationalmannschaft seit zehn Jahren ganz oben mitspielt. Bei der 4x100-Meter-Staffel ist es nicht anders. «Dieses Team verschafft der Schweiz ein grossartiges Image als integratives und vielfältiges Land», meint der frühere Leichtathlet und Sporthistoriker Pierre Morath. Nach Laurent Meuwlys Ansicht tragen die unterschiedlichen Wurzeln zu den Leistungen der Sportlerinnen bei. «Sie haben diese ziemlich aussergewöhnliche Fähigkeit, ihre Komfortzone zu verlassen.» Raphaël Monachon ist derselben Meinung:

Sie schöpfen ihre Kraft und Stärke auch aus der Vielfalt ihrer Wurzeln. Dazu kommt, dass sie untereinander sehr tolerant sind.

Auch Ajla Del Ponte sieht die Vielfalt als Vorteil: «Jede hat ihren kulturellen Hintergrund und ihre Traditionen. Manchmal sprechen wir auch darüber.»  

2)	En 2018, elles pulvérisent le record suisse lors d’Athletissima à Lausanne
2018 brachen die Staffelläuferinnen den Schweizer Rekord an der Athletissima in Lausanne.

 

«Wir haben alle ein sehr schweizerisches Herz; wir sind stolz, ein so positives Image des Landes zu vermitteln, in dem wir aufgewachsen sind», sagt Salomé Kora, die als einzige der vier Athletinnen einen Teil ihrer Kindheit, von sechs bis elf Jahren, im beninischen Heimatland ihres Vaters verbrachte. «Meine Eltern arbeiten beide in der Pflege, sie haben sich übrigens in einem Spital in Benin kennengelernt», erzählt sie. «Im Rahmen eines humanitären Projekts bauten sie ein Ambulatorium auf, mitten auf dem Land.» Sie erinnert sich, wie sie barfuss durch den Busch rannte und mit abgefahrenen Reifen spielte, wie man es aus Filmen kennt. «Ich bin sehr froh, dass ich in beiden Ländern leben konnte, das half mir, meine Identität zu finden. Wir kehrten in die Schweiz zurück, damit ich die Sekundarschule beginnen konnte.» Bei Ajla Del Ponte war es der Krieg in Bosnien, der die Mutter ins Tessin verschlug, wo sie Ärztin wurde. «Meine Muttersprache ist Bosnisch», erklärt sie. «Ich fahre manchmal nach Bosnien, wo wir unser Haus wieder aufbauen.» Auch Sarah Atcho war schon mehrmals in Marokko und Côte d’Ivoire, wo ihre Eltern herkommen. «Ich wollte wissen, wo meine Eltern und auch ich unsere Wurzeln haben. Wir vertreten die Schweiz, kennen aber noch andere Kulturen. Das ist ein schönes Zeichen von Offenheit.» Mujinga Kambundji war noch nie im Kongo, den ihr Vater vor mehr als 40 Jahren verliess, hofft aber, das Land eines Tages besuchen zu können. «Mir gefällt auch, dass in unserem Team alle vier Landesteile vertreten sind», meint sie.

Mit einem Schweizer Rekord über 100 und 200 Meter (10,95 bzw. 22,26) war Mujinga Kambundji lange der einzige Schweizer Sprintstar und wurde 2019 zur Sportlerin des Jahres gewählt. Während ihrer Abwesenheit in der letzten Saison machte nun Ajla del Ponte einen Riesensprung und lief europäische Bestzeit über 100 Meter. «Heute haben wir zwei Zugpferde im Team», freut sich Trainer Monachon. Die Tessinerin trainiert in Holland mit Laurent Meuwly, der das niederländische Team betreut. Er sieht bei Ajla Del Ponte noch viel Potenzial. «Sie könnte im Sommer 10,90 laufen. Dann würde eine Qualifikation für den Olympiafinal oder gar eine Medaille drinliegen. Ajla hat ganz klar eine neue Dimension erreicht.» Neben dem Sport brilliert sie auch an der Universität Lausanne, wo sie kurz vor dem Abschluss ihres Bachelors in italienischer Lyrik des 16. Jahrhunderts steht. Letztes Jahr wurde sie mit dem «Preis des Jahres» für ihre Verdienste für das Ansehen der Universität ausgezeichnet.

Ihre Teamkolleginnen sind ganz besonders stolz auf ihre Erfolge. «Meine Freundin Ajla hat unglaubliche Zeiten aufgestellt», sagt Salomé Kora begeistert. «Ajla hat sich unheimlich gemacht und an Selbstvertrauen gewonnen. Heute ist sie der Boss», fügt Sarah Atcho hinzu. Auch Mujinga Kambundji freut sich für Ajla: «Sie ist sehr stark. Je mehr Konkurrenz, desto höher das Niveau; das ist gut für alle.» Die beiden Läuferinnen schätzen sich sehr. «Mujinga ist sehr ruhig und ausgeglichen. Wie ich liest sie gerne, und wir diskutieren manchmal über Bücher.»

Mujinga Kambundji hat sich von ihren Verletzungen erholt und ist sehr optimistisch, was das grosse Ziel der Saison, die Olympischen Spiele, angeht:

Bei den Olympischen Spielen geht es immer darum, Medaillen zu gewinnen.

 Auch Sarah Atcho ist sehr zuversichtlich, obwohl sie wegen ihrer Knieoperation und ihrer Covid-19-Erkrankung ein doppeltes Handicap hat. «Paradoxerweise hat mir die dreiwöchige Zwangspause wegen Covid-19 gut getan», erzählt die 200-Meter-Spezialistin, die seit September mit einer Gruppe von sehr «siegeshungrigen» Läuferinnen in Belgien trainiert. Salomé Kora, die vor Kurzem ihren Master in Fremdsprachen an der Pädagogischen Hochschule in St. Gallen abgeschlossen hat, verfolgt ihren eigenen Weg «in aller Ruhe».

En 2017, elle finissent 5ème des Mondiaux de Londres.
2017 belegten sie den 5. Platz an den Weltmeisterschaften in London.


Rivalinnen in den Einzelrennen, ein verschworenes Team in der Staffel: «Wir switchen sehr schnell von einem Modus in den anderen», sagt Salomé Kora. «90% der Zeit sind wir Konkurrentinnen. Manchmal sind wir an einem Tag Rivalinnen und am nächsten Tag Teamkolleginnen. Trotzdem kommen wir super miteinander aus. Wir haben unsere kleinen Rituale im Team, nichts Künstliches, alles entsteht ganz natürlich, und das ist unsere Stärke», findet Mujinga Kambundji. Zeit und Ergebnisse haben die Läuferinnen einander näher gebracht. «Wir haben uns besser kennengelernt, und unsere Beziehung ist immer enger geworden», sagt Sarah Atcho. Dieser Ansicht ist auch Ajla Del Ponte:

Wir haben einen sehr guten Zusammenhalt, es sind enge Freundschaften entstanden.

Auch der Ehrgeiz schweisst sie zusammen: «Sie wissen, dass sie mit der Staffel eine grossartige Chance haben und dass sie dafür weiter an einem Strang ziehen müssen», erklärt Laurent Meuwly. Raphaël Monachon meint: «Es gibt einen gesunden Wettbewerb unter den Läuferinnen. Und dahinter drängt der Nachwuchs nach vorne.»

Das Team trifft sich sechs bis sieben Mal pro Jahr, um an der Technik zu arbeiten, am Stabwechsel, der oft ebenso entscheidend ist wie die Schnelligkeit der einzelnen Sprinterinnen. «Ein Stabwechsel ist dann erfolgreich, wenn beide Läuferinnen, die übergebende wie die übernehmende Läuferin, mit höchster Geschwindigkeit unterwegs sind», erklärt Laurent Meuwly. «Wir arbeiten hauptsächlich mit Video», fügt Raphaël Monachon an.

Die Olympischen Spiele in Tokio werden zum ersten Mal ohne ausländisches Publikum ausgetragen. Damit kann Sarah Atcho leben: «Die Japaner verdienen unseren vollen Respekt, denn sie gehen ein unglaubliches Wagnis ein.» Glaubt der Experte Pierre Morath an eine Schweizer Medaille? «Ein Staffellauf ist immer voller Unsicherheiten, aber die Schweizerinnen haben eine sehr positive Dynamik gefunden. Meiner Meinung nach wird alles von Mujingas Form abhängen.»