Schweizer Astronaut auf der Startrampe
Die Erfüllung dieses Kindheitstraums ist definitiv eine Geschichte wert. Die Raumfahrt fasziniert Marco Sieber schon sein ganzes Leben lang. Bereits als Kind las er zahlreiche Bücher darüber und baute mit seinem Bruder Raketen. Nie hätte er sich aber vorstellen können, dass er dem Traum, ins Weltall zu fliegen, eines Tages so nahe kommen würde.
Der 33-jährige Marco Sieber ist seinem Ziel, als zweiter Schweizer Astronaut ins All zu fliegen, einen Schritt näher gekommen. Am 23. November 2022 stellte die Europäische Weltraumorganisation ESA die neue fünfköpfige Astronautenklasse vor. Mit von der Partie: Marco Sieber. Eingegangen waren über 22’500 Bewerbungen. 2023 beginnt die einjährige Grundausbildung im Europäischen Astronautenzentrum der ESA bei Köln.
Artemis-Mondmissionen – Vorbereitung auf die Erforschung der Tiefen des Weltalls
Wer nach der Ausbildung als sogenannter Karriere-Astronaut zugelassen wird, kann im Rahmen der ESA-Programme an Weltraummissionen teilnehmen, die in Zusammenarbeit mit der NASA durchgeführt werden. Dazu gehören Flüge zur Internationalen Raumstation und zur Lunar-Gateway-Station, die Teil des Artemis-Programms der NASA ist. Das Artemis-Raumschiff Orion ist mit dem europäischen Servicemodul (ESM) ausgestattet, für das die Schweiz Komponenten liefert.
Orion wird Astronautinnen und Astronauten sowie Gateway-Module zum Mond und weiter ins Weltall bringen. Gestartet wird das Raumschiff mit dem Space Launch System der NASA, der leistungsstärksten Rakete der Welt. Der Artemis-I-Testflug im November 2022 war unbemannt, aber bei den nächsten drei Orion-Missionen werden Astronautinnen und Astronauten mitfliegen. Die Servicemodule für diese Missionen sind bereits in Produktion. Das ESM versorgt das Raumschiff mit Strom, Wasser, Sauerstoff und Stickstoff, regelt die Temperatur und hält Orion auf Kurs. Der erfolgreiche Testflug mit dem ersten ESM beflügelt die angehenden Astronautinnen und Astronauten.
In den Fussstapfen einer Legende
Marco Sieben tritt in die Fussstapfen des ersten Schweizer Astronauten Claude Nicollier, der vor 30 Jahren erstmals ins All flog und an vier Space-Shuttle-Missionen teilnahm. Während seines letzten Raumflugs unternahm er als erster ESA-Astronaut während einer Space-Shuttle-Mission einen Weltraumspaziergang.
Vor seiner Ausbildung zum Astronauten war Claude Nicollier Pilot bei der Schweizer Luftwaffe, wo er 4000 Flugstunden im Jet absolvierte. Dieser Hintergrund sowie seine wissenschaftliche Ausbildung und seine übrigen Fähigkeiten machten ihn damals zu einem idealen Kandidaten.
Die Space-Shuttle-Jahre
Nach einem Master of Science in Astrophysik an der Universität Genf im Jahr 1975 erhielt Nicollier ein Forschungsstipendium der Europäischen Weltraumorganisation und arbeitete am Zentrum für Weltraumforschung und -technologie im niederländischen Noordwijk auf dem Gebiet der Infrarotastronomie-Programme.
Claude Nicollier war der erste Nicht-Amerikaner, der von der NASA als Missionsspezialist zugelassen wurde. Er nahm an vier Space-Shuttle-Missionen teil, wo er unter anderem Wartungs- und Reparatureinsätze für das Hubble-Weltraumteleskop durchführte. Er verbrachte mehr als 1000 Stunden im All und absolvierte einen über achtstündigen Weltraumausstieg, um neue Instrumente am Hubble-Teleskop zu installieren.
Der richtige Mann zur richtigen Zeit
Die Technologien, die bei Weltraumprojekten zum Einsatz kommen, haben in den letzten drei Jahrzehnten spektakuläre Fortschritte gemacht, und die Kriterien für die Aufnahme in die Astronautenausbildung haben sich seit Nicolliers Zeiten stark geändert. Einige Grundvoraussetzungen – vor allem menschliche Qualitäten wie Unerschrockenheit und Resilienz – sind jedoch weiterhin unerlässlich.
Im März 2021 suchte die Europäische Weltraumorganisation (ESA) neue Astronautinnen und Astronauten. Bewerben konnten sich Staatsangehörige der an den ESA-Programmen beteiligten Länder. Die Bewerberinnen und Bewerber mussten nicht nur die notwendigen körperlichen Voraussetzungen mitbringen, sondern auch ihre technischen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten in zahlreichen Tests unter Beweis stellen.
Als er den positiven Bescheid der ESA erhielt, war es für Sieber «ein sehr intensiver Moment, der sich unwirklich anfühlte, weil ich während meiner ganzen Kindheit von dieser Chance geträumt und seit 18 Monaten darauf hingearbeitet hatte.» Ihn fasziniert die Kombination der verschiedenen Wissenszweige, die in der Raumfahrt gefragt sind – wie Luftfahrt und Planetenforschung. Er ist sich jedoch auch der enormen Schwierigkeiten bewusst, mit denen Astronautinnen und Astronauten auf ihren Missionen konfrontiert sind.
Sieber verfügt über einen ganz anderen Hintergrund als der erste Schweizer Astronaut. Er studierte Medizin an der Universität Bern und arbeitet heute als Urologe. Während seines Militärdiensts war er als Notarzt in Kosovo tätig und nahm an Helikopter-Rettungseinsätzen teil.
Nicollier war Militärpilot, Sieber steuert Kleinflugzeuge. Daneben liebt er Sportarten wie Fallschirmspringen und Gleitschirmfliegen. Mehr über sich erzählt Marco Sieber in einem Interview mit der ESA.
Gut möglich, dass bald ein Schweizer auf dem Mond steht!
ESA-Gründungsmitglied SchweizMit ihrem neuen Programm will die ESA die Autonomie Europas im Weltall erhöhen und ihre Führungsrolle im Bereich der Wissenschaft und Technologie stärken. Dabei will sie verantwortungsvoll handeln und Lösungen zur Eindämmung des Klimawandels entwickeln. Die Schweiz wird rund 600 Millionen Franken zum neuen Programm beisteuern. Als Gründungsmitglied der ESA hat sie die europäischen Raumfahrtaktivitäten von Anfang an mitgestaltet. |