Wissenschaft schützt Schweizer Käse
Das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung entwickelt spezielle Bakterien für den Herkunftsnachweis von Käse und für «exklusive» Kulturen zur Herstellung von AOP-Käse (Appellation d'Origine Protégée).
Schweizer Käse gehört zu den Produkten, für die unser Land weltberühmt ist. Wer kennt sie nicht, den Gruyère oder den Emmentaler mit seinen typischen Löchern? Damit aus Milch Käse wird, braucht es Bakterien. Um die Besonderheit der Schweizer Käsesorten zu erhalten und sie vor Fälschung zu schützen, entwickelt Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, seit etlichen Jahren exklusive Kulturen und Markerbakterien, die namentlich bei Käsen mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung (Appellation d'Origine Protégée, AOP) eingesetzt werden.
Agroscope beliefert die schweizerischen Käsehersteller bereits seit mehr als einem Jahrhundert mit Bakterienkulturen. Heute umfasst die Sammlung des Kompetenzzentrums rund vierzig Bakterienstämme, aus denen die Käsereien wählen können. Es handelt sich hauptsächlich um Milchsäurebakterien, welche die Milch gerinnen lassen und die Entwicklung unerwünschter Keime verhindern. «Die Bakterien beeinflussen den Geschmack, das Aroma, die Textur und die Lochung», erklärt Petra Lüdin, Forscherin bei Agroscope. Die Löcher im Emmentaler und Appenzeller entstehen beispielsweise durch Mikroorganismen, die während des Gärungsprozesses Kohlensäure produzieren.
Alte Tradition
Die Käseherstellung hat ihren Ursprung allerdings weit vor der Gründung von Agroscope. Früher liessen die Bauern die Milch bei Raumtemperatur stehen, bis sie unter Einwirkung von Keimen aus der Luft oder von Lab, einem Enzym aus dem Magen junger Wiederkäuer, zu gerinnen begann. War der Käse fertig, wurde ein Teil der Molke (Flüssigkeit, die nach der Milchgerinnung übrig bleibt, und immer noch Bakterien enthält) zurückbehalten, um am nächsten Tag den Prozess erneut in Gang zu setzen. Die Methode wird auch heute noch praktiziert, sie ist jedoch etwas ungenau und braucht viel Geschick.
«Unsere Bakterienkulturen erlauben es, die Käseherstellung zu steuern und gleichzeitig die Lebensmittelsicherheit und -qualität zu steigern», erklärt Petra Lüdin stolz. Die meisten Käsereien der Schweiz würden sie heute einsetzen. «Ein guter Käse ist das Ergebnis aus Basiszutat (Milch), Verarbeitungsmethode (Know-how) und verwendeter Bakterien», fügt die Expertin hinzu. Die Agroscope-Kulturen, die aus 10’000 sorgfältig konservierten Isolaten gewonnen werden, haben einen weiteren Vorteil: Während die Milch in der Schweiz immer «sauberer» wird, erhalten sie die Biodiversität.
Differenzierung der AOP
Damit sich AOP-Käsesorten von anderen Produkten abheben können, wurde Agroscope beauftragt, für bestimmte Käse exklusive Säuerungskulturen zu entwickeln. Für den Gruyère AOP gibt es eine solche Kultur seit 2004. Die Kulturen für das Walliser Raclette AOP und den Vacherin Fribourgeois AOP befinden sich derzeit in der Entwicklung, die mindestens drei bis vier Jahre beansprucht.
Doch selbst wenn diese Bakterienkulturen exklusiv für einen AOP-Käse bestimmt sind, dürfen sie nicht uneingeschränkt verwendet werden. «Es handelt sich um Starterkulturen», betont Marc Gendre, Vizedirektor des Sortenverbands Gruyère. Das Pflichtenheft schreibt vor, dass die Mehrzahl der verwendeten Kulturen zur Herstellung von Gruyère herkömmliche Betriebskulturen sein müssen, das heisst aus der Molke stammen müssen, die der Käser selbst gewinnt.» Didier Germain von der Fromagerie Les Martel im Kanton Neuenburg verwendet zum Beispiel nur 2 % Agroscope-Kulturen für die Herstellung seines Gruyère AOP, von dem er pro Jahr 330 Tonnen produziert. Bei anderen seien es bis zu 48 %. «Ich finde, man muss den lokalen Charakter so weit wie möglich erhalten. Jeder Käser bestimmt seine Säuerung selbst.»
Schutz vor Kopien
Parallel zur Entwicklung von AOC-Kulturen entwickelt Agroscope auch Kulturen für den Herkunftsnachweis. Sie erlauben bei der Bekämpfung von Fälschungen eine Authentizitätsprüfung. Im Gegensatz zu den anderen Bakterien haben diese Markerbakterien keinen Einfluss auf die Eigenschaften des Käses. Als erstes wurden 2011 für den Emmentaler AOP Herkunftsnachweiskulturen verwendet, es folgten der Tête de Moine AOP 2013 und der Appenzeller 2015. Jene für den Gruyère AOP und den Sbrinz AOP befinden sich in der Testphase.
Namentlich bei geriebenen und verpackten Käsen sind Kopien ein Problem. Käselaibe hingegen können leichter identifiziert werden. Für die zahlreichen Käse, die im Ausland den Namen Gruyère missbräuchlich verwenden, z. B. der Graviera in Griechenland, hat Marc Gendre nur ein Lächeln übrig. «In diesen Fällen ist keine Analyse nötig, um zu erkennen, dass es sich nicht um Schweizer Gruyère handelt. Diese Käse sind etwas völlig anderes. Auch ihre geschmacklichen Eigenschaften sind im Vergleich zu unseren Standards fragwürdig. Um welche Mengen es hier geht, wissen wir nicht.»